Neurologie up2date 2025; 08(03): 237-252
DOI: 10.1055/a-2363-9800
Neurometabolische und neurogenetische Erkrankungen

Gen- und RNA-Therapie in der Neurologie

Authors

  • Michaela Hörner

  • Rebecca Schüle

Preview

Gen- und RNA-Therapien ermöglichen erstmals kausale Behandlungsansätze für genetisch bedingte neurologische Erkrankungen. Dieser Beitrag gibt einen praxisnahen Überblick über molekulare Therapieansätze und zeigt, wie sich die neurologische Versorgung durch Präzisionsmedizin verändert: Im Fokus stehen Wirkmechanismen, zugelassene Therapien, zukünftige Entwicklungen, Gentherapie, Antisense-Oligonukleotide und Stammzelltransplantation.

Kernaussagen
  • Genetische Krankheitsursachen gewinnen in der Neurologie zunehmend an Bedeutung. Genetische Faktoren sind zentrale Treiber neurologischer Erkrankungen – sowohl bei seltenen monogenen als auch bei häufigeren multifaktoriellen Erkrankungen. Fortschritte in der molekulargenetischen Diagnostik ermöglichen eine präzisere Klassifikation, Prognoseeinschätzung und individualisierte Therapieplanung.

  • Monogene Erkrankungen bieten klare Zielstrukturen für kausale Therapien. Erkrankungen mit definierten Gendefekten wie spinale Muskelatrophie (SMA), Huntington und viele seltene Erkrankungen in der Neurologie eignen sich besonders für RNA- und Gentherapien, die gezielt in pathogene Mechanismen eingreifen.

  • Gen- und RNA-Therapien ermöglichen neue, kausale Behandlungsansätze. Im Gegensatz zu symptomatischen Therapien setzen diese direkt an der Genexpression an – entweder auf DNA-Ebene oder auf RNA-Ebene mit z.B. ASOs (Antisense-Oligonukleotiden) oder siRNAs (kleinen interferierenden RNAs). Gentherapien ersetzen defekte Gene dauerhaft und werden meist einmal appliziert. RNA-Therapien haben eine zeitlich begrenzte Wirkung und erlauben so reversible, feinsteuerbare Eingriffe, oft mit wiederholter Anwendung.

  • Personalisierte „N-of-1“-Therapien erweitern das Spektrum. Individuell entwickelte RNA- oder Gentherapien schaffen neue Optionen bei ultraseltenen Mutationen – das therapeutische Prinzip verbindet Indikationen über Krankheitsklassifikationen hinweg.

  • Strukturierte Netzwerke sichern Zugang und Umsetzung. Ein frühzeitig funktionell interpretierter genetischer Befund ist Voraussetzung für gezielte Therapien. Programme wie genomDE oder 1Mutation1Medicine fördern Versorgungsstrukturen vereinen Forschung, Klinik und Patient*innen.

  • Langfristiger Erfolg erfordert stabile Rahmenbedingungen. Wirksamkeit und Zugang hängen auch von Registerdaten, ethischer Reflexion und solidarischer Finanzierung ab. Neue Technologien wie RNA-Therapien und Gen-Editing erweitern den therapeutischen Werkzeugkasten – auch für multifaktorielle Erkrankungen.



Publication History

Article published online:
19 September 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany