Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(05): 237
DOI: 10.1055/a-2359-6972
Forum

Auf dem Weg zum stimmigen Ende

Zoom Image

„Lesen Sie gerne Biografien? Kommt darauf an …“

So könnte ein Gespräch über das im vergangenen Jahr erschienene Buch von „Mübu“ (wie er sich selbst oft nennt) beginnen. Wer kennt ihn nicht, einen der Großen der deutschen Palliativmedizin? Aber so umfassend wie nach der Lektüre seiner Biografie kennen ihn wohl nur seine engsten Vertrauten – und alle, die sie gelesen haben. Christof Müller-Busch (den Hans davor erspare ich mir, wer das Buch gelesen hat, weiß warum) lässt uns in seiner Biografie ungewöhnlich tief in sein Leben und seine Seele blicken. „Ich hoffe, dass mein – bisweilen mit einiger Überwindung zur (schonungslosen) Offenheit – zusammengetragenes Gedachtes, Gefühltes und Gelebtes …“ so bereitet er die Lesenden schon in der Einleitung (S. 5) auf das vor, was folgt: 80 Jahre eigenes – und das von Familie und Freund*innen – gelebtes Leben in enger Verknüpfung mit den jeweils aktuellen Geschehnissen in Deutschland, aber auch in der ganzen Welt auf 430 Seiten, das ist eine „Wucht“.

Er teilt diese Zeit in 7-Jahres-Abschnitte, die er Heptomaden nennt. Die Sieben spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle, denn er widmet das Buch auch den sieben Frauen seines Lebens: seiner Frau Ricki, mit der er seit 50 Jahre das Leben teilt, den beiden Töchtern und den vier Enkelinnen.

Für wen ist das Buch lesenswert? Zunächst einmal natürlich für alle, die ihn kennen und für alle, die sich für Palliativmedizin und Palliative Care interessieren, aber eben nicht nur. Jede*r über 30 mit ein wenig Interesse an der politischen Geschichte Deutschlands und verschiedener außereuropäischer Länder, erfährt hier aus profunder Kenntnis spannende Details, die Müller-Busch authentisch, polyglott und oft mit persönlichen Begegnungen unterlegt, schildert.

Er gewährt uns – zum Teil intime – Einblicke in seine verschiedenen Lebensphasen, die bei der Rezensentin ganz unterschiedliche Gefühle ausgelöst haben: Erstaunen darüber, wen der Mann alles kennt, Bewunderung dafür, wie er sich durch jahrelange Krisen und Zweifel durchgeackert hat, um der zu werden, der er geworden ist, manchmal auch peinliche Berührtheit über das, was er hier alles preisgibt, großes Interesse an der Entwicklung seiner ärztlichen Tätigkeit (Neurologie & Psychiatrie – Chirurgie [kurz] – Anästhesie – spezielle Schmerztherapie und schließlich Palliativmedizin) und an den unterschiedlichen Entwicklungen des deutschen Gesundheitssystems sowie der parallel dazu beschriebene Entwicklung der deutschen Palliativmedizin und Neugier auf alternative Medizinansätze (z. B. „Gesundheitstag statt Ärztetag“ und Anthroposophische Medizin).

Während seines Studiums in Edinburgh (1966–68) lernte er nicht nur den damals berühmtesten Neurochirurgen der Welt, John Francis Gilligham, kennen, sondern auch die Künstlerin Yuko Ikewada, die sich gerade von Friedensreich Hundertwasser getrennt hatte. Zurück in Hamburg, wollte ihn eine Freundin mit Jil Sander verkuppeln, Anfang der 70er-Jahre möchte er nach Chile auswandern, was nach dem Putsch Pinochets nicht mehr möglich war. Mit 30 bringt er von einer Indienreise einen „Haschklumpen“ mit, der bis heute in irgendeiner Kiste die vielen Umzüge überdauert hat, 1980 fliegt er mit seiner Frau nach Nicaragua und trifft sich dort mit Fidel Castro, Ernesto Cardenal und Daniel Ortega. Anfang der 80er-Jahre beteiligt er sich an den Castor-Blockaden im Wendland und lernt nach seinem Wechsel aus Berlin nach Herdecke im Gemeinschaftskrankenhaus eine neue Sicht auf Sterben und Tod kennen: „… das Sterben von schwerstkranken Menschen wurde weniger als medizinische Niederlage oder therapeutisches Versagen (wie ich es bisher empfand), sondern als spirituelle Herausforderung angesehen und in einer Weise respektiert und begleitet, wie ich es so nicht gekannt hatte: Sterben in Würde.“ (S. 291)

Für Müller-Busch begann damit ein langjähriges, erfolgreiches Wirken in der Palliativmedizin, dass er – auch als Präsident der DGP – in vielfältiger Weise prägte. Dass er sich schließlich nach seiner Pensionierung noch 10 Jahre als Senior Experte in China engagierte, rundet das Bild dieses „rastlosen“ Geistes ab. Mit fast täglichen Wanderungen (Ziel 20 km pro Tag) hat er in den letzten 4 Jahren „mehr als eine halbe Weltumrundung geschafft“, so bleibt er auch mit 80 körperlich in Form.

Fazit: Selten habe ich beim Lesen eines Buches so viele unterschiedliche Dinge erfahren und mich dabei gut unterhalten und informiert gefühlt – unbedingt lesenswert!

Susanne Hirsmüller, Düsseldorf



Publication History

Article published online:
02 September 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany