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CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2024; 86(S 04): S239-S250
DOI: 10.1055/a-2350-6435
Original Article

Von der theoretisch besten Evidenz zur praktisch besten Evidenz: ein Ansatz zur Überwindung des Strukturkonservatismus in der evidenzbasierten Medizin und Gesundheitspolitik

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Holger Pfaff
1   University of Cologne, Faculty of Human Sciences & Faculty of Medicine and University Hospital Cologne, Institute of Medical Sociology, Health Services Research and Rehabilitation Science, Chair of Quality Development and Evaluation in Rehabilitation; Cologne, Germany
,
Jochen Schmitt
2   Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Med. Fakultät der TU Dresden, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden, Germany
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Zusammenfassung

Im Gesundheitswesen ist ein Missverhältnis zwischen dem Ausmaß an Innovationen in Bezug auf medizinische Produkte (z. B. Arzneimittel) und dem Ausmaß an Innovationen in Bezug auf Versorgungsstrukturen festzustellen. Dies liegt nicht daran, dass es an Ideen, Konzepten und (quasi-)experimentellen Studien zu Versorgungsorganisationen mangelt. In diesem Beitrag stellen wir vielmehr die These auf, dass wir es mit einer schleppenden Implementierung von Strukturinnovationen zu tun haben und dass dies zum einen daran liegt, dass das EbM-Instrumentarium zwar sehr gut zur Evaluation von Produktinnovationen geeignet ist, aber nur bedingt zur Bewertung von Strukturinnovationen. Wir zeigen in diesem Aufsatz, dass sich aus dem ungewollten Zusammenspiel aus einem über die Zeit deutlich veränderten, nun vor allem theoretischen EbM-Verständnis und gesundheitspolitischer Vorsicht und Trägheit ein systematischer Strukturkonservatismus resultiert. Strukturkonservatismus ist gegeben, wenn die Strukturen des Gesundheits- und Versorgungssystems ein starkes Beharrungsvermögen aufweisen und gegenüber Innovationen weitgehend resistent sind. Dieses Phänomen interpretieren wir als eine unintendierte Folge absichtsvollen EbM-Handelns. Um auch bezogen auf Strukturinnovationen in der Gesundheitsversorgung handlungsfähig zu sein, schlagen wir einen neue Bewertungsrahmen vor, in dessen Mitte eine Differenzierung zwischen der theoretisch bestmöglichen Evidenz, der praktisch bestmöglichen Evidenz und der bestverfügbaren Evidenz steht.



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Artikel online veröffentlicht:
15. August 2024

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