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DOI: 10.1055/a-2331-4482
Kommentar zu „Direktes Feedback während der Insertion der Elektrode des Cochlea-Implantats“

****Die Cochlea ist während der Elektrodeninsertion auch nach 40 Jahren Cochlea-Implantation noch immer eine „Black-Box“. Für den Fall von Resthörigkeit wurde der Wert von Hör- und Strukturerhalt für ein besseres Sprachverstehen, für Schalllokalisierung, Prosodie und Musikgenuss vielfach nachgewiesen. Aus diesem Grund sind Studien, die Feedbackmessungen über die Insertion der Elektrode zum Thema haben, sehr aktuell. Impedanzmessungen, elektrische Stapediusreflexschwellen (eSRT), elektrisch evozierte Summenaktionspotenziale (eCAP) und neuronale Spread of Excitation (SOE) geben wichtige Informationen über die Elektrodenlage und können den Insertionsprozess beurteilen. Auch die Elektrocochleografie (ECochG), Transimpedanzmessungen oder Messungen der Amplitudenzuwachsfunktion (AGF) kommen dafür zunehmend zum Einsatz.
Die vorgestellte Studie nutzt die intraoperative ECochG für die Insertion von CI622-Elektroden und ist interessant, weil sie eine Echtzeit-Visualisierung der Mikrofonpotenziale während der Insertion beschreibt. Die ECochG stellt grundsätzlich eine gut etablierte Messmethode in vielen Kliniken dar. Die modernen Cochlea-Implantat-Systeme der 3 großen Hersteller erlauben die Ableitung der Potenziale über den Elektrodenträger und somit den Status des Innenohres (IHC, OHC, CN) zu untersuchen.
In der vorgestellten prospektiven, randomisierten Vergleichsstudie wird dem Chirurgen durch eine Bild-in-Bild-Visualisierung der ECochG ermöglicht, während der Insertion die Platzierung der Elektrode direkt zu beeinflussen. Diese neue Methode wird mit einer Messung der ECochG mit lediglich akustischer Rückmeldung seitens eines auswertenden Audiologen verglichen. Eine dritte Gruppe von Patienten, die ohne ECochG-Messung implantiert wurden, dient mit ihren postoperativen audiometrischen Ergebnissen als Kontrolle.
Diese Studie reiht sich in die größer werdende Reihe derer ein, die eine Verbesserung des Hör- und Strukturerhalts bei Patienten mit Restgehör zeigen, wenn elektrophysiologische Messungen und eine verlangsamte Insertion angewendet werden. Ein für die Praxis implantierender Zentren relevanter Mehrwert ist die genaue Beschreibung des Messaufbaus und der Vorgehensweise. Wir kommen damit der Etablierung dieser Methoden als Standards einen Schritt näher.
Besonders interessant ist der Aspekt, dass die Bild-in-Bild-Übertragung und Echtzeit-Visualisierung der ECochG eine signifikante Verlängerung der Insertionszeit (p=0,025) und eine Verbesserung des Hörerhalts (signifikant 6 Wochen nach Implantation bei 250Hz; p=0,017) mit sich bringen. Eine verbale Rückmeldung des Audiologen an den Operateur nimmt mehr Zeit in Anspruch als die lediglich visuelle Information und eigene Sichtung der Kurven. Man hätte also erwartet, dass diese bei der zweiten Gruppe angewandte 2-Personen-Methode eine längere Insertionszeit bedingen sollte. Die Bild-in-Bild-Methode ermöglicht dem Operateur eine sofortige Reaktion auf Potenzialänderungen hinsichtlich der Insertionsgeschwindigkeit und des Insertionswinkels. Ob hier auch die Reaktionszeit des Operateurs sowie eine Lernkurve bei der Interpretation der Potenziale und bei den chirurgischen Variationsmöglichkeiten bei Potenzialänderungen eine Rolle spielen, werden weitere Studien sicherlich zeigen.
Es handelt sich um eine neue Methode, die die methodischen Vorschläge einer internationalen multizentrischen Studie zur intraoperativen ECochG ergänzt [1]. Stabile audiologische Ergebnisse betreffend den Hörerhalt bis zu einem Jahr werden für beide getesteten Gruppen (76% bei Gruppe 1 und 62% bei Gruppe 2, ohne signifikanten Unterschied) gezeigt. Ein Matching der 3 vorgestellten Gruppen nach Hörschwellen, Ätiologie und Ertaubungszeitpunkt hätte vermutlich eine noch aussagekräftigere Statistik erlaubt.
Zu bemerken ist auch, dass bisher nicht viele Kliniken über digitale Mikroskope mit der Möglichkeit einer Bild-in-Bild-Visualisierung verfügen. In diesem Fall kann jedoch nach der Vorgehensweise wie für Gruppe 2 verfahren werden.
Publication History
Article published online:
02 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 O’Leary S, Mylanus E, Venali F. et al. Monitoring Cochlear Hearing With Intracochlear Electrocochleography During Cochlear Implantation. Ear Hear 2023; 44: 358-370