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DOI: 10.1055/a-2330-2398
Rechtsticker
Übertherapie
Die Intensivmedizin ist in ihrem Selbstverständnis auf die Gewinnung von mehr Lebenszeit für die schwerkranken Patienten ausgerichtet und damit grundsätzlich auf eine Ausweitung und Optimierung des Spektrums effektiver Behandlungsmaßnahmen. Die Frage nach dem „rechten Maß“ drängt sich damit als zentrale Herausforderung aller klinischen Fächer, insbesondere aber der Notfall- und Intensivmedizin geradezu auf. Sorge vor rechtlichen Konsequenzen – Schadensersatzhaftung oder gar strafrechtliche Ermittlungen – hat im Kreis der Beteiligten und insbesondere im Kontext der Intensivmedizin bislang jedoch weithin nur einen eindimensionalen Inhalt, nämlich im Sinne des befürchteten Vorwurfs eines „Zuwenig“ („unterlassene Hilfeleistung“). Dass auch ein „Zuviel“ rechtsförmliche Verfahren und Sanktionierungen nach sich ziehen kann, wird dagegen meistenteils nur gesehen, soweit sich damit eine Missachtung des Patientenwillens verbindet („eigenmächtige Zwangsbehandlung“). Aus diesem Grund hat sich die DIVI bereits 2021 mit einem Positionspapier an die betroffenen Kreise gewandt.
Dieses Positionspapier erläutert Ursachen von Überversorgung in der Intensivmedizin und gibt differenzierte Empfehlungen zu ihrer Erkennung und Vermeidung. Zur Erkennung und Vermeidung von Überversorgung in der Intensivmedizin erfordert es danach Maßnahmen unter anderem auf der Mikroebene der Einrichtung, insbesondere in Form regelmäßiger Evaluierung des Therapieziels im Behandlungsteam unter Berücksichtigung des Patientenwillens und unter Begleitung von Patienten und Angehörigen, Förderung einer patientenzentrierten Unternehmenskultur, Minimierung von Fehlanreizen in hausinternen Vergütungsmodellen, Stärkung der interdisziplinären/interprofessionellen Zusammenarbeit. Es besteht daher für alle Beteiligten dringender Anlass, das klinische Feld systematisch nach typischen Anwendungsfällen „nutzloser“ oder „unangemessener“ Behandlungsmaßnahmen zu sondieren. Dabei ist insbesondere auf das Phänomen der „angebotsinduzierten Nachfrage“ zu achten, die nach der Maxime „a built bed is a filled bed“ wirkt und die medizinische Indikation im konkreten Behandlungsfall in besonderer Weise gefährdet.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
27. August 2024
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