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DOI: 10.1055/a-2321-2811
Medikamentensicherheit bei Kindern

Medikamentenfehler sind eine oft unterschätzte Gefahr – besonders bei Kindernotfällen, wo Dosierungsabweichungen schnell lebensbedrohlich werden können. Ein einziges falsch gesetztes Komma bei der Berechnung kann fatale Folgen haben. Wie lassen sich solche Fehler vermeiden? Dieser Artikel zeigt häufige Stolperfallen und gibt praxisnahe Empfehlungen zur sicheren Medikamentengabe – für mehr Sicherheit in kritischen Momenten.
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Ein Medikament, zu welchem dem Anwender hinreichende pharmakologische Kenntnis für die Notfallindikation fehlt, soll nicht verabreicht werden („primum non nocere“).
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Vor jeder Medikamentengabe soll im 4-Augen-Prinzip überprüft werden, dass es sich um das richtige Medikament, in der richtigen Dosis, zum richtigen Zeitpunkt, mit dem richtigen Verabreichungsweg und für den richtigen Patienten handelt (5-R-Regel).
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Jede Verordnung soll durch alle Beteiligten laut wiederholt und bestätigt werden.
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Vor jeder Therapie soll die Indikation hinterfragt und geprüft werden. Eine „Übertherapie“ soll vermieden werden („so wenig wie möglich und so viel wie nötig“).
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Vor jeder medikamentösen Therapie soll das Gewicht des Kindes ermittelt und dokumentiert werden. Wenn kein genanntes Gewicht verfügbar ist, soll eine längenbezogene Gewichtsschätzung durchgeführt werden.
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Längenbezogene Systeme zur Gewichtsschätzung mit Dosisempfehlung sollten bevorzugt eingesetzt werden.
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Die Gabe von Medikamenten, welche eine geringe therapeutische Breite aufweisen oder bei Fehldosierung großen Schaden anrichten können (z.B. Adrenalin, Analgetika), sollen nicht ohne vorherige Überprüfung durch ein unterstützendes System (z.B. Tabelle, Lineale) erfolgen.
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Wenn möglich, sollen Medikamente mit Gefährdungspotenzial separiert werden, um ein bewusstes „Danach Greifen“ zu erzwingen.
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Jede aufgezogene Spritze soll vorzugsweise mit einem Etikett nach ISO 26852 längs so beklebt werden, dass die Skalierung weiter lesbar bleibt.
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Für die Behandlung von Notfällen bei Kindern sollen Therapieentscheidungen auf wissenschaftlicher Evidenz und Erfahrung basieren und nicht allein aufgrund des Zulassungsstatus erfolgen. Ein „Off-label-Use“ ist nicht unsachgemäß, illegal oder kontraindiziert, sondern kann die bestmögliche Therapie darstellen.
Publication History
Article published online:
08 April 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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