Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 2024; 18(01): 39
DOI: 10.1055/a-2227-4317
Kongressnachlese

Ernährungsfachkräfte beraten systemisch und diskutieren über Lipödem

Christina Holzapfel

Am 24. November 2023 fand das Treffen der Netzwerke Adipositas, Diabetes, Ernährungsberatung/-therapie und Klinik des Berufsverbands Oecotrophologie e.V. in Frankfurt am Main statt. Die Veranstaltung hatte den Titel „Systemische Ernährungsberatung & unter der Lupe: Lipödem – von der Diagnose zur Therapie“.

Margarete Nowak, Hamburg, referierte zum Thema „Ernährung systemisch betrachtet: Der Tisch ist gedeckt – das Problem liegt auf dem Teller – was tun wir? – Vorstellung der Leitgedanken“ [Abb. 1]. Sie erklärte dass Menschen immer in einem Kontext essen, ob sozial, kulturell oder familiär. Der Mensch ist letztendlich Symptomträger, das Problem ist das System. Sie formulierte folgende Leitgedanken für die systemische Ernährungsberatung:

  • Subjektive Wirklichkeit ist bedeutend, nicht die objektive Realität

  • Problem ist nicht die Störung eines Einzelnen, eher die Folge einer Störung im sozialen Umfeld des Individuums – also des Systems

  • Jeder Mensch bewegt sich in unterschiedlichen Systemen

  • Fokus: Leben in den individuellen Systemen mit vielfältigen Rückkopplungsprozessen

  • Mensch mit Bedürfnissen und Veränderungen steht im Vordergrund

  • Ressourcen, Lösungen und Kontexte sind Orientierung

  • Beratende begleiten den Weg zu neuen Lösungen

  • Klienten sind die Profis – Fachkräfte begleiten und fördern

Die systemische Ernährungsberatung besteht aus mehreren Gesprächen. Das Erstgespräch umfasst die Klärung des Arbeitskontextes, die Fragestellung sowie das Problem. Zudem werden der Kontexte (z. B. sozialer, zeitlicher), die Ziel-Definition, der Auftrag an den Beratenden sowie der Zukunftsblick adressiert. Weitere Gespräche kennzeichnen die Gabe der Beobachtung, aktuelles Fachwissen, Daten, Erfahrung, Hypothesenstellung. Systemisch denken und beraten entspricht u. a. einem klientenzentrierten Ansatz, dem Wahren der Neutralität, sowie einem lösungsorientierten Ansatz. Methoden sind beispielsweise „Joining“, „Komplimente“ und „Der Selbstwertstrauss“. Zudem weist die Referentin auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Systemberatung Ernährung hin.

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Abb. 1 Margarete Nowak stellte den Kontext des Essens in den Vordergrund. Quelle: Dr. Anette Weber

Thomas Witte, Mülheim an der Ruhr, betrachtete in seinem Vortrag „Lipödem – von der Diagnose zur Therapie“ ein im klinischen Alltag vernachlässigtes Krankheitsbild. Als Lipödem werden die krankhafte Vermehrung und Vergrößerung von Fettzellen in Armen, Beinen und Gesäß bezeichnet. Die Diagnostik erfolgt dabei durch Anamnese, Inspektion und Palpation (Fettgewebsvermehrung an den Beinen und Armen, stellenweise schmerzhaftes Fett, Gewebestauung nach unten hin) [Abb. 2].

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Abb. 2 Dr. med. Thomas Witte beleuchtete das Krankheitsbild Lipödem. Quelle: Dr. Anette Weber

Bezüglich der Therapie gibt es zwei Möglichkeiten: konservative und operative. Bei der konservativen Therapie stehen Flachstrickkompression, manuelle Lymphdrainage, Ernährungsumstellung, körperliche Aktivität sowie die komplexe physikalische Entstauungstherapie (Reha) im Vordergrund. Unter einer operativen Therapie versteht man die Liposektion in Kombination mit Flachstrickkompression, manueller Lymphdrainage, Ernährungsumstellung und körperlicher Aktivität. Weitere Ausführungen zu „Lipödem – Chancen und Grenzen ernährungstherapeutischer Ansätze“ gab Andrea Barth, Esslingen. In der Ernährungsberatung ist es vor allem wichtig, dass Ernährungsfachkräfte für das Thema Lipödem sensibilisiert sind und Personen mit dieser Erkrankung über z. B. Gang, Gesicht, Körperproportionen, Schmerzen/Einschränkungen, Gewichtsentwicklung identifizieren. Bei der Ernährungsberatung kommt es beim Lipödem mehr auf die Motivation, die Stärkung des Selbstwerts, das Selbstmanagement als auf die Ernährungsinhalte an. Dies kommt daher, da viele Personen mit Lipödem bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben. Dies nicht zuletzt deswegen, da das Lipödem sich weder durch eine Kalorienrestriktion noch durch Bewegung beeinflussen lässt. Welche Ernährungsformen bei Lipödem eine positive Wirkung erzielen, ist aktueller Forschungsgegenstand.



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Article published online:
11 March 2024

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