Aktuelle Dermatologie 2024; 50(03): 104-106
DOI: 10.1055/a-2211-3136
Interview

Dermatologie ist so ein extrem facettenreiches Fach!

Prof. Ingrid Moll im Gespräch mit Prof. Axel Hauschild
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Prof. Dr. med. Axel Hauschild

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Per Zufall habe ich als Medizinstudent im ersten Semester einen Ferienjob in der Kieler Uni-Hautklinik bekommen. Ich durfte dort in der Ambulanz den einzigen Pfleger vertreten und habe gleich Blut an diesem Fach geleckt. Das lag in erster Linie daran, dass mich die täglich um 13 Uhr immer überaus pünktlich stattfindenden Mittagsvisiten mit Patientendemonstrationen aus der Ambulanz und dem stationären Bereich bei Professor Christophers in ihren Bann gezogen haben. Ich fand schon damals die Breite des Fachs, aber auch die Möglichkeit einer einfachen Blickdiagnostik bei vielen Hauterkrankungen ohne weitere Laboruntersuchungen faszinierend. Zudem hat mich Christophers als Mentor auch bei den schleswig-holsteinischen Dermatologen-Tagungen, die ich bereits als Medizinstudent besuchen durfte, voll und ganz durch seine fundierten Kenntnisse und seine Eloquenz fasziniert. Als ich dann mit Professor Sterry einen ebenfalls hervorragenden dermatologischen Lehrer als Doktorvater zum Thema der „kutanen Lymphome“ hatte, stand mein Entschluss endgültig fest. Ich wollte Hautarzt werden, und dieser Traum wurde mir nach einjähriger „Vorlaufzeit“ in der kardiovaskulären Chirurgie dann im Juni 1989 auch ermöglicht!

Sind Sie mit Ihrer Wahl zufrieden und warum?

Ich bin froh, die ganze Breite des Faches von der allgemeinen Dermatologie über die Allergologie bis hin zur operativen Dermatologie/Phlebologie und v. a. der Dermato-Onkologie kennengelernt zu haben. Diese umfassende dermatologische Ausbildung ermöglichte es mir, nach der Facharztprüfung (1994) Oberarzt der operativen Dermatologie und Onkologie zu werden, ohne ein „Fachidiot“ zu werden. Ab diesem Zeitpunkt war ich voll und ganz von der Dermato-Onkologie in allen ihren klinischen und translationalen Forschungsfacetten fasziniert. Mein Enthusiasmus große klinische Studien nicht nur durchzuführen, sondern selbst zu planen, zu organisieren und erfolgreich durch hochrangige Publikationen abzuschließen, wurde in dieser Zeit geprägt. Obwohl wir damals mehr oder weniger am Ende der Studien beim Melanom mit leeren Händen und ohne signifikante Fortschritte dastanden, habe ich nicht aufgegeben zu glauben, dass wir eines Tages vielleicht doch einen Durchbruch mit signifikanten Überlebensvorteilen oder sogar Heilungen erzielen können. Dieser Durchbruch wurde im Jahr 2010 erzielt, als die ersten Daten zu den zielgerichteten, BRAF-Mutations-basierten und auch neuen Immuntherapien beim metastasierten Melanom auf dem US-amerikanischen Krebskongress (ASCO) in Chicago vorgestellt wurden und zu „standing ovations“ führten. Dieses Datum ist wirklich eine für mich unvergessliche Zäsur in der Therapie aller Hauttumoren, und fortan waren viele Studien positiv und wurden in hochrangigen Journalen publiziert. Natürlich war das auch für die uns anvertrauten Patienten eine gute Zeit, als Hauttumoren schon nach kurzer Therapiezeit sichtbar zu schmelzen begannen.

Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?

Es bedeutet mir sehr viel, dass es mir im Rahmen meiner Karriere gelungen ist, die Universitäts-Hautklinik Kiel nicht nur national, sondern auch international hervorragend positioniert zu haben. Der Aufbau der dort vorher nicht-existierenden Dermato-Onkologie mit einem hervorragenden Klinikteam nicht nur bestehend aus Ärztinnen und Ärzten, sondern später auch aus Studienassistentinnen und engagierten Krankenschwestern bedeutet mir bis heute sehr viel.Darüber hinaus erfreue ich mich seit 2013 einer florierenden eigenen Hautarztpraxis (früher: „DERMATOLOGIKUM KIEL“, jetzt: „medermis Kiel“) im Zentrum von Kiel, in der wir mit 8 Ärztinnen und Ärzten und insgesamt 32 Angestellten harmonisch zusammenarbeiten zum Wohle von ambulanten Patienten mit verschiedensten Hauterkrankungen. Innerhalb von so kurzer Zeit eine derartig erfolgreiche Praxis in Eigenregie mit meinem Praxispartner Dr. Stephan Lischner aufzubauen, war schon eine ganz besondere Leistung, auf die aber das gesamte Praxisteam stolz sein darf. Wenn Sie mich nach den Höhepunkten meiner akademischen Karriere befragen, muss ich natürlich die lange Zeit als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) und derzeitiger Präsident der Melanoma World Society (MWS) nennen. Derartige Tätigkeiten als Vorstandsvorsitzender drücken immer auch eine schöne nationale und internationale Anerkennung aus. Diese Anerkennung wurde mir auch mit der Verleihung des Deutschen Hautkrebspreises (2003) und nachfolgend des Deutschen Krebspreises (2011) zum Ausdruck gebracht. Der letztgenannte Preis ist eine ganz besondere Ehre, weil er interdisziplinär durch alle Fachrichtungen der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) vergeben wird und die internationale Bedeutung des Aufbaus der deutschen Dermato-Onkologie durch mich thematisiert hat. Mehr als 400 Publikationen mit vielen Zitierungen sind auch mehr, als ich jemals erwartet hätte, und meine Karriere ist ja auch noch nicht zu Ende.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Nun, es gibt sicherlich viele Patienten – von „Fällen“ mag ich hier ungern sprechen –, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind. Hierzu gehören besonders die jungen Menschen – oftmals mit kleinen Kindern, die an fortgeschrittenen Hauttumoren erkrankt und dann in der Zeit, als es noch keine wirksamen Therapien gab, rasch verstorben sind. An Emotionalität, aber auch Tragik kaum zu überbieten sind die schwangeren Patientinnen mit metastasierten Melanomen, die zwar ein gesundes Kind entbunden, aber danach den Tumor nicht überlebt haben. Zum Glück nur einmal habe ich ein unvergessliches Kleinkind und seine Eltern begleitet, das an einer neurokutanen Melanose erkrankt war. Es verstarb an multiplen Melanom-Primärtumoren an den Meningen im Alter von nur 2 Jahren. Die Eltern des Kindes habe ich noch viele Jahre nach der Familientragödie begleiten dürfen und nach großem Bangen und Zweifeln wurden sie dann nach einer genetischen Beratung noch glückliche Eltern eines nunmehr gesunden Kindes.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Professor Enno Christophers und Professor Wolfram Sterry waren wirklich großartige klinische und akademische Lehrmeister für mich, die mir auch die Kunst eines guten Vortrags nahegebracht haben. Ich konnte beiden stundenlang zuhören, weil sie in ihren Vorträgen stets eine rote Linie hatten und daneben mit einem subtilen Humor ihr Auditorium begeistern konnten. Auf Augenhöhe mit diesen beiden Ausnahme-Dermatologen muss ich auch Professor Thomas Schwarz nennen, der als „neuer“ Klinikdirektor vor 17 Jahren die Hautklinik übernahm und in diesem Jahr die Führung an Professor Weidinger abgegeben hat. Seine Begeisterung für die Dermatologie im Allgemeinen, die Forschung im Speziellen und herausragende Vorträge mit Wiener Akzent (Charme?) sind nicht nur beispielhaft, sondern regelrecht ansteckend für mich gewesen! Ganz besonders lag ihm – wie übrigens auch mir – die studentische Lehre am Herzen. Was gibt es Schöneres als dankbare Studentinnen und Studenten, die das nach gelungenen Lehrveranstaltungen auch zum Ausdruck bringen und fragen, wie man am besten eine Stelle in der Dermatologie bekommt? Kurzum, ich hatte das Riesenglück, von drei akademischen Lehrern aus der Crème de la Crème der internationalen Dermatologie geprägt zu werden!

Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?

Ich habe während meiner akademischen Karriere bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur von meinen Mentoren, sondern auch von vielen anderen Kolleginnen und Kollegen gute Ratschläge erhalten. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich viele Fragen gestellt habe und ein „Networking“ für absolut essentiell für eine erfolgreiche Karriere halte. Ich weiß gar nicht, ob es einen „besten Rat“ gab, aber vielleicht ist es der Rat von Professor Christophers am Anfang meiner Klinikkarriere gewesen, dass ich global denken sollte, wenn es um eine Karriereplanung geht. Er riet mir zu vielen internationalen Kollaborationen und Vorträgen gerade im Ausland, auch um Kiel in der Dermato-Onkologie sichtbar werden zu lassen. Später war es Professor Schwarz dann sogar wichtiger, dass nicht er alleine, sondern seine Oberärztinnen und Oberärzte international präsent waren, um Kiel als Klinik zu präsentieren.Obwohl er es wahrscheinlich nicht mehr weiß, hat mir Professor Klöppel, der ehemalige Direktor der hiesigen Pathologie, einen hervorragenden Rat gegeben, für den ich ihm heute sehr dankbar bin. Er sagte mir anlässlich eines Berufungsverfahrens am Kieler Universitätsklinikum, dass ich vor dem 50. Lebensjahr meine Arbeitsstätte wechseln sollte, um das berufliche Leben spannend zu halten. Wahrscheinlich dachte er an die Übernahme einer Hautklinik als Chefarzt? Ich hingegen entschied mich im Alter von 50 Jahren, die o. g. Praxis zu gründen, und das war im Rückblick eine gute Entscheidung. Die Leitung des dermato-onkologischen Studienzentrums und stellvertretende Leitung des Hauttumorzentrums in der Kieler Hautklinik in Kombination mit der Praxistätigkeit und den vielen nationalen und internationalen Vortragtätigkeiten motivieren mich wie am ersten Tag, weiter beruflich aktiv zu bleiben. Aber wer weiß schon, ob ich nicht den allerbesten Ratschlag noch in den nächsten 5 Jahren bis zu meiner offiziellen Klinikpensionierung erhalten werde?

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung in der Dermatologie?

Ich muss zugeben, dass ich hier einen „Bias“ habe, da ich ja nun mal mit Herzblut seit vielen Jahren in der Dermato-Onkologie tätig bin. Das Fachgebiet der Dermato-Onkologie hat mich fasziniert, weil es hier wirklich um Leben und Tod geht. Dass die 5-Jahres-Überlebensrate beim Melanom von unter 10 % im Jahre 2010 bis auf über 50 % im Jahre 2023 bei den fernmetastasierten Patienten gestiegen ist, ist einfach unglaublich und wird in der gesamten Onkologie bewundert. Hier zeigt sich, dass die Grundlagenforschung über die translationale Forschung in die Klinik überführt werden konnte und zu neuen Meilensteinen führte, die sogar zur Vergabe des Nobelpreises für die Immun-Checkpoint-Inhibition vor 5 Jahren führte – mit dem Melanom als Türöffner. Fast ebenso faszinierend finde ich allerdings auch die Entwicklung der vielen Biologika in der Systemtherapie der Psoriasis und Neurodermitis, aber auch der Autoimmunerkrankungen. Auch hier konnte die molekulare Diagnostik zu wahren Therapiedurchbrüchen dieser häufigen und Lebensqualitäts-einschränkenden Dermatosen führen. Grundsätzlich gesagt ist die zunehmende Ambulantisierung natürlich eine wichtige Entwicklung in der Dermatologie. Dass zu Beginn meiner Karriere vor 35 Jahren der durchschnittliche stationäre Aufenthalt 3 Wochen betrug und heute weniger als eine Woche, kann man sich als jüngerer Dermatologe kaum noch vorstellen. Spezialzentren, angegliedert an die universitäre Dermatologie oder auch als selbstständige Institutionen werden auch in der Dermatologie eine immer größere Rolle spielen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass private „Skin Cancer Centers of Excellence“ als Spin-offs in Kollaboration mit akademischen Einrichtungen in den kommenden Jahren eine führende Rolle auch in der klinischen Forschung einnehmen können.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

Eine weitere Spezialisierung ist aus meiner Sicht unumgänglich. Dazu gehört aber auch, dass die Versorgung von multimorbiden, zumeist älteren Patienten nicht vergessen wird. Das Themengebiet der Dermato-Geriatrie wird bei der Konzeption von Tageskliniken und eventuell auch bei der Erhaltung von Betten in kommunalen Krankenhäusern sicherlich noch eine größere Rolle als bisher spielen. In meiner Anfangszeit waren die Betten gefüllt von Patienten mit Ulcera cruris, Psoriasis vulgaris, Neurodermitis und sogar hautkranken Kindern. Das ist in der heutigen Zeit nahezu undenkbar. Die molekulare Diagnostik insbesondere bei den entzündlichen Dermatosen, aber auch in der Dermato-Onkologie, wird zukünftig eine größere Rolle bei der Auswahl der Therapien spielen, da bin ich mir ganz sicher. Gut aufgestellte universitäre und kommunale Hautkliniken wird es weiterhin geben, da ist mir auch überhaupt nicht bange. In den Krankenhäusern der Maximalversorgung sollte aber sicherlich auch der Forschung und Lehre eine noch größere Rolle eingeräumt werden und eine entsprechende finanzielle Substitution ermöglicht werden.Und Derma-Praxen werden immer benötigt werden! Die Frage ist nur, wer hier zukünftig noch als Selbstständige(r) arbeiten möchte mit einer völlig überregulierten Verwaltung und den bescheidenen Verdienstmöglichkeiten im GKV-Bereich? Die Work-life-Balance wird nicht zu Unrecht immer mehr diskutiert.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Ich kann jungen Kolleginnen und Kollegen – so wie ich es auch in meinen Vorlesungen/Vorträgen mache – nur raten, in die Dermatologie einzusteigen und sie wie ich lieben zu lernen. Das Fachgebiet bietet einfach so viel, von Neugeborenen bis zu Greisen, über Männer und Frauen hin zu konservativen, operativen und ästhetischen Behandlungsmethoden. Allerdings sollten wir zusehen, dass bestimmte Fachkompetenzen, die uns in Deutschland auszeichnen, aber international verlorengegangen sind, bei uns im Fachgebiet der Dermatologie verankert bleiben. Dazu gehört insbesondere unsere operative, aber auch dermato-onkologische Kompetenz. In nahezu allen anderen Ländern außerhalb von Zentraleuropa sind es schließlich Chirurgen und Onkologen, die das Melanom und auch andere Hauttumoren versorgen …

Was machen Sie nach Feierabend als Erstes?

Welcher Feierabend? Nein, Spaß beiseite, ich genieße Feierabende wirklich! Mein großes Hobby sind sportliche Aktivitäten, und hier steht das Rennradfahren an erster Stelle. Mit ca. 10.000 km auf dem Rennrad im Jahr und zahlreichen Wettbewerben im In- und Ausland können Sie sich vorstellen, dass gar nicht mehr so viel Zeit für andere Hobbys bleibt.Ich genieße aber auch ein schmackhaftes Abendessen mit schönen Weinen und guten Gesprächen mit meiner wunderbaren Frau, unseren tollen Kindern, deren Partnern und/oder guten Freunden. Die besten Feierabende im Sommerhalbjahr ermöglichen sogar den Sport und die Kulinarik!



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Article published online:
14 March 2024

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