KJP up2date 2024; 01(01): 4-5
DOI: 10.1055/a-2201-0645
Editorial

Editorial

Michael Huss

Liebe Leserinnen und Leser,

die Sorge um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist nach der Pandemie, den aktuellen Belastungen durch Kriege, vielfältigen Traumatisierungen z.B. im Rahmen von Migration und gesellschaftlichen Veränderungen aber auch angesichts des Klimawandels und den damit verbundenen Zukunftsängsten aktueller denn je. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP), deren integraler Bestandteil immer auch die Psychotherapie und die Psychosomatik für Kinder und Jugendliche ist, steht daher wie alle interdisziplinär eng mit ihr verbundenen Fächer der Psychologie, der Pädiatrie aber auch der Allgemeinpsychiatrie vor immensen Herausforderungen.

Mit der neu ins Leben gerufenen Zeitschrift KJP up2date wollen wir einen interdisziplinären Beitrag leisten, auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz und dabei aber konsequent praxisorientiert („aus der Praxis für die Praxis“), die Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Wie gesagt: Der Bedarf ist dringender denn je und der Ansatz kann angesichts der Komplexität an Themen nur evidenzbasiert wie auch interdisziplinär und praxisbezogen sein.

Die Zeitschrift wendet sich an alle, die sich in Fort- und Weiterbildung befinden bzw. die KJP-bezogenen Inhalte hochwertig und aktuell vermitteln möchten. Dabei versteht sich die KJP von jeher als ein in hohem Maße interdisziplinäres Fach, das maßgebliche Vernetzungen mit anderen Disziplinen pflegt und diese beständig weiterentwickelt. Neben den Kernthemen von Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter kommen insbesondere Fragen der Entwicklung, aber auch neurobiologische, psychosoziale wie auch gesellschaftliche und umweltbezogene Einflüsse zum Tragen.

Wer die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien und Lebensbezüge verstehen möchte um diagnostisch und therapeutisch tätig zu werden, kommt gar nicht umhin, einen engen Austausch mit der Psychologie, der Pädagogik, der Pädiatrie mit ihren Subdisziplinen, der Allgemeinpsychiatrie, den Neurowissenschaften aber auch mit der Genetik und den Disziplinen bildgebender Verfahren zu pflegen. Konsequenterweise haben wir uns daher als Team von Herausgeberinnen und Herausgebern von Anfang an interdisziplinär aufgestellt und innerhalb der KJP auch darauf geachtet, dass sowohl Belange der ambulanten Versorgung durch Niedergelassene als auch klinische und wissenschaftliche Fachexpertise vertreten sind.

Schon im Mutterleib, wie später dann nach der Geburt und im weiteren Entwicklungsverlauf, finden Kinder bestimmte Lebensbedingungen vor, mit denen sie auf Basis ihrer verfügbaren biologischen und psychosozialen Ressourcen umgehen müssen. Wie gut ihnen das gelingt und ob sie bei Bedarf auch therapeutische Hilfen in Anspruch nehmen können, ist für die psychische Gesundheit maßgeblich. Ein wesentlicher Faktor dabei ist auch, dass sie, ihrem Entwicklungs- und Reifungsstand angemessen, ihr Lebensumfeld mitgestalten können.

Als neues Herausgeberteam sind wir mit dem up2date-Konzept im Thieme Verlag nicht nur auf ein bereits gut etabliertes Format gestoßen, dessen erfolgreiche Konzepte wir einerseits nutzen konnten aber andererseits auch erweitern durften. So bot sich uns die Möglichkeit mit einem mehrdimensionalen Ansatz ein eigenes kinder- und jugendpsychiatrisches Kolorit einzubringen, um die Leser von Anfang an mit kinder- und jugendpsychiatrischen ‚Denkweisen‘ vertraut zu machen.

Wie unter dem Beitrag „In eigener Sache“ noch näher ausgeführt, wird es neben den klassischerweise Störungs-bezogenen Artikeln (Rubrik 1) weitere Perspektiven und Dimensionen geben, mit denen wir Wissen und Kompetenzen des Faches vermitteln wollen. So werden in der Rubrik 2 (Toolbox) diagnostische und therapeutische Methoden behandelt, die einer spezifischen Expertise bedürfen und nicht auf die Anwendung bei bestimmten Störungsbildern beschränkt sind. In der Rubrik 3 (Lifespan) kommt der Ansatz einer lebenslangen Entwicklung zum Tragen, der mittlerweile in nahezu allen medizinischen Fächern eine Rolle spielt. Wie eine Vielzahl von Längsschnittstudien zeigen, werden Erkrankungen des jungen und mittleren Erwachsenenalters aber auch neurodegenerativen Erkrankungen des höheren Lebensalters maßgeblich von Entwicklungen der Kindheit beeinflusst. Wer also auch im Sinne der präventiven Medizin nachhaltig Veränderungen bewirken möchte, sollte ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung psychischer Gesundheit im Kindes- und Jugendalter haben.

Rubrik 4 (Familie, Schule und Gesellschaft) fokussiert sich auf die psychosozialen Einflussfaktoren der psychischen Gesundheit, die immer schon eine wichtige Rolle gespielt haben, mit der Pandemie und der Klimakrise aber noch einmal in besonderer Weise in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt wurden.

Ein besonderes Anliegen verbindet das Herausgeberteam mit der Rubrik 5 (Perspektivwechsel). Die Fähigkeit, sich in die Position anderer hineinzuversetzen spielt nicht nur in der psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei therapeutischen Interventionen (z.B. in der validierenden Gesprächsführung) und zunehmend auf kultureller und gesellschaftlicher Ebene eine maßgebliche Rolle. Wenn es also störungsübergreifend um Fragen des Perspektivwechsels geht, werden Sie diese unter Rubrik 5 finden.

Und schließlich haben wir noch die Rubrik 6 (Berufspolitik, Recht und Ethik) vorgesehen, in der wir Beiträge verorten, die sich mit wichtigen Änderungen der Gesetzgebung, mit Fragen der Berufspolitik aber auch dem damit verbundenen ethischen Diskurs befassen. Nicht nur die aktuelle Kontroverse über geschlechtsangleichende Behandlungen im Kindes- und Jugendalter, auch die Frage der Altersgrenze von Strafmündigkeit oder die medizinethische Debatte über den Stellenwert der Teilhabe und Autonomie bei Kindern und Jugendlichen im Diagnose- und Therapieprozess (Shared Decision Making) sind Beispiele für Themen der 6. Rubrik.

Ich möchte Sie im Namen des neuen Teams von Herausgeberinnen und Herausgebern und des Thieme-Verlags ganz herzlich zu der ersten Ausgabe der neuen Zeitschrift KJP up2date begrüßen und Ihnen Spaß beim Lesen, Inspiration für Ihre Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen wie auch Erfolg bei den weiteren Qualifizierungsschritten wünschen.

Herzliche Grüße

Michael Huss



Publication History

Article published online:
30 July 2024

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