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DOI: 10.1055/a-2183-7738
Ein medizinhistorisches Lehrstück aus vergangenen (?) Zeiten
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Liebe Leserinnen und Leser
in diesem Heft, der diesjährigen „Weihnachtsausgabe“ der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN), wird in der Rubrik „Geschichte der Perinatalmedizin“ an die Geburtshelfer Ignaz Philipp Semmelweis und Gustav Adolph Michaelis und an ihre in tragischer Weise verknüpften Lebenswege erinnert. Semmelweis, der als „Retter der Mütter“ in die Medizinhistorie eingehen sollte, hatte sich mit seinen Erkenntnissen zur Puerperalsepsis nicht gegen die Autoritäten der Zeit – darunter Virchow, von Siebold und Martin (den Mitbegründer dieser Zeitschrift!) – durchsetzen können, bevor er in einer „Irrenanstalt“ unter ungeklärten Umständen zu Tode kam. Michaelis, einer seiner wenigen Unterstützer, nahm sich, auch aus Gram über die nicht rechtzeitig beherrschte Kindbettfieber- Endemie in seiner eigenen Klinik, letztlich selber das Leben. Ihre Schicksale gelten als Lehrstück dafür, wie etablierte Meinungen den unvoreingenommenen Blick verstellen und selbstkritische Einsichten verhindern können: ein Phänomen, das in der Medizingeschichte wiederholt aufgetreten ist, und vor dem wir uns – auch wenn die Ablösung einer Empirie- durch eine Evidenz-basierte Medizin hier einen gewissen Fortschritt bewirkt haben dürfte – nie vollends gefeit fühlen sollten.
Darüber hinaus setzen wir in diesem Heft unsere Serie über rechtliche Fragen in der Perinatalmedizin fort. Diesmal geht es um fünf juristische Fallstricke bei der Aufklärung über die Behandlungsalternative „Sectio“, die sich in geburtsschadensrechtlichen Auseinandersetzungen als häufige Fehlerquellen erwiesen haben und denen daher eine hohe Praxisrelevanz zukommt. In einer weiteren Übersicht wird ein Update zu der nicht selten kontrovers diskutierten perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der Neonatologie gegeben, welches u. a. wohlbegründete Ansatzpunkte für ein Antibiotic Stewardship enthält. Kurz zusammengefasst geht es – auch wenn, oder gerade weil operationsbedürftige Neugeborene eine vulnerable Patientengruppe darstellen – darum, diese Prophylaxe möglichst kurz und gezielt zu gestalten.
In einer sozialpädiatrischen Studie, die auf einer retrospektiven Auswertung von knapp 90 000 im Bundesland Schleswig-Holstein durchgeführten Schuleingangsuntersuchungen beruht, wird den Auswirkungen eines hohen Geburtsgewichts auf die Entwicklung von Kindern im Vorschulalter nachgegangen. Im Gegensatz zu niedrigen Geburtsgewichten, die einen klaren Risikofaktor darstellten, hatten hohe Geburtsgewichte keinen unabhängigen Einfluss auf Entwicklungsauffälligkeiten oder Förderbedarf, sodass es in der Betreuung ehemals hypertropher Neugeborener immer auf die individuelle Perinatalanamnese ankommt. Anhand von ausgewählten Fällen aus drei Universitätskliniken wird in einer kasuistischen Arbeit schließlich das potenziell lebensbedrohliche Krankheitsbild einer akuten Schwangerschaftsfettleber – u. a. als seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose zum HELLP-Syndrom – aufgearbeitet.
In der Hoffnung, dass Ihnen auch dieses Heft der ZGN wieder eine Reihe wertvoller Informationen bieten möge, wünschen Verlag und Herausgeber Ihnen eine besinnliche Jahreswende und ein glückliches und gesundes Neues Jahr,
Ihr
Publication History
Article published online:
28 November 2023
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