ZUSAMMENFASSUNG
Nach Antrag auf Beihilfe zu einem Suizid wurden 688 Menschen ärztlich-psychiatrisch
zu ihrer Freiverantwortlichkeit untersucht. Für die Einsichts- und Urteilsfähigkeit,
die innere Festigkeit bzw. Dauerhaftigkeit, die Mängelfreiheit der Willensbildung
und die Wohlerwogenheit wurden Kriterien entwickelt. Das mittlere Alter betrug 67,3
Jahre (Spanne 20–108), der Anteil der Frauen 65,1 %, der Männer 34,7 %, divers 0,1
%. Unter den Diagnosen fanden sich – maßgeblich und teilmaßgeblich jeweils insgesamt
– körperliche Krankheiten in 75,3 %, psychische Störungen in 27,3 % und die (höhere)
Altersperspektive in 34,0 %. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit wurde in 64,0 % als
abgewogen rational und in 32,4 % als körperlich oder psychisch begründet nüchtern
realistisch beurteilt.
Unter dem rechtlich geforderten Aspekt der Mängelfreiheit wurde eine „Beeinflussung”
der Willensbildung u. a. durch körperliches oder psychisches Beschwerdeerleben von
einer „Beeinträchtigung” der Willensbildung unterschieden. Vorwiegend bei letzterer
muss die Nachdrücklichkeit und Eindeutigkeit der Willensbekundung im Verhältnis zu
dem Grad der Beeinträchtigung abgewogen werden. Im Verlauf wurde von 54,9 % der Begutachteten
eine Suizidhilfe in Anspruch genommen.
ABSTRACT
In German law and jurisdiction assisted suicide is permitted provided that volitional
competence can be proven. It is defined as capacity of insight, ability to judge,
assurance of intention, and the decision being free of fault. The general discussion
of assisted suicide is dominated by speculations. Therefore, it is necessary to provide
empirical results. The author completed 688 in depth psychiatric examinations of requests
for suicide assistance. Mean age was 67,3 years (span 20–108). 65,1 % were women,
34,7 % were men, 0,1 % identified as trans-gender. Combining main and secondary reasons
there were somatic illnesses in 75,3 %, psychiatric disturbances in 27,3 %, and advanced
age in 34,0 % of cases. Capacity of insight and judgement were found to be well considered
and rational in 64,0 %, and somatically or psychiatrically influenced and at the same
time realistic in 32,4 % of all cases.
Potential faults of the intention were differentiated between “influenced” or “impaired”.
In the latter case it is necessary to balance the impairment of the intention with
the right of self-determination. Based on the assessment 54,9 % requested and were
given assistance.
Schlüsselwörter
Suizidhilfe - Freiverantwortlichkeit - Selbstbestimmungsrespekt
Key words
Suicide assistance - volitional competence - dignity in self-induced dying