Zusammenfassung
Ziel der Studie Als Großstadt inmitten eines Ballungsgebiets ist
die kreisfreie Stadt Essen geprägt von einer starken sozialen
Segregation und im Zuge dessen einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle
des sozialen Status‘ der Bevölkerung. Die herkömmliche
Bewertung der primärärztlichen Versorgung seitens der
Kassenärztlichen Vereinigungen durch das Instrumentarium der
Bedarfsplanung lässt solche starken Gefälle innerhalb einer
Planungseinheit häufig unberücksichtigt. Die vorliegende Studie
hat zum Ziel, die Verteilung von Primärversorgungsstrukturen am Beispiel
von zwei großräumigen Stadtgebieten der Stadt Essen zu
analysieren und Perspektiven der Stärkung der Primärversorgung
in benachteiligten Stadtteilen aufzuzeigen. Methodik Zunächst
wurde auf Stadtteilebene eine Sekundärdatenanalyse durchgeführt
und anhand der Einschlusskriterien – 1. Lage des Stadtteils
nördlich der Autobahn A40 und 2. eine mittlere
Existenzsicherungsquote>17,20 Prozent (Durchschnittswert der Stadt
Essen) – das aus 19 Stadtteilen bestehende Untersuchungsgebiet Essen
Nord (258.790 Einwohner*innen) definiert und mit dem restlichen
Stadtgebiet (332.242 Einwohner*innen) bezüglich der Indikatoren
a) sozialer Status, und b) Versorgungsdichte der tätigen Haus- und
Kinderärzt*innen verglichen. Die Datengrundlagen der
ausgewählten Indikatoren finden sich in der Sozialberichterstattung der
Stadt Essen bzw. der „Online-Praxissuche“ der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Die dadurch entstandene
Datenbank (letzter Stand: 10/2021) wurde anschließend auf
Stadtteilebene ausgewertet und in der Folge die primärztliche
Versorgungssituation der beiden Stadtgebiete verglichen. Ergebnisse Die
Ergebnisse offenbaren eine deutlich geringere primärärztliche
Versorgungsdichte im sozial benachteiligten Untersuchungsgebiet Essen Nord, bei
Hausärzt*innen um etwa ¼, bei
Kinderärzt*innen um fast die Hälfte. Mit einer
höheren sozialen Benachteiligung geht ein schlechterer wohnortnaher
Zugang zur Primärversorgung einher, insbesondere für Kinder und
Jugendliche. Schlussfolgerung Der Status quo der Verteilung
primärärztlicher Versorgungsstrukturen birgt die Gefahr, zu
einer Manifestierung gesundheitlicher Ungleichheit beizutragen und die
Sicherstellung einer wohnortnahen, bedarfsorientierten Primärversorgung
zu gefährden. Die bestehende Planungssystematik ist nicht geeignet, die
drohende bzw. schon bestehende Unterversorgung der Bevölkerung in
benachteiligten Stadtteilen ausreichend zu adressieren.
Abstract
Background As a large city in the middle of a metropolitan area, the city
of Essen is characterized by strong social segregation and a north-south divide
in the social status of its population. The conventional demand planning does
not take such strong disparities within a planning unit into account. The
present study aims to analyze the distribution of primary care structures using
the example of two large urban areas within the city of Essen and to identify
perspectives for strengthening primary care in disadvantaged urban areas.
Methods First, a secondary data analysis was carried out at the district
level and the study area Essen North (258,790 residents), consisting of 19
districts, was defined on the basis of two inclusion criteria – 1.
location of the district north of the A40 freeway and 2. a mean subsistence
rate>17.20 percent (average value of the city of Essen). Subsequently
the study area was compared with the rest of the city (332,242 residents) with
regard to the indicators a) social status, and b) available general practioners
and pediatricians. The data of the selected indicators is based on the social
reporting of the city of Essen and the “Online Practice Search”
(Online-Praxissuche) of the Association of Statutory Health Insurance Physicians
North Rhine. The resulting database (last update: 10/20212) was then
evaluated at the district level and the primary care situation of the two urban
areas was compared. Results The results revealed a significantly lower
primary care coverage in the socially disadvantaged study area Essen North by
about 25 percent for general practioners and by almost half for pediatricians.
Thus, higher social disadvantage was associated with poorer access to primary
care close to home, especially for children and adolescents.
Conclusion The distribution of primary care providers in the city of
Essen increases the risk of contributing to the manifestation of geographic
disparities and health inequalities. The existing planning system in particular
is not suitable for addressing the threatening or already existing undersupply
of primary health care to the population in disadvantaged urban districts.
Schlüsselwörter Primärversorgung - Sozialraumanalyse - Bedarfsplanung - Gesundheitliche Ungleichheit
- Hausärztliche Versorgung
Key words Primary health care - Health inequalities - Social space analysis - General practitioners
- Regional healthcare planning