Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2153-9873
Liebe Leserinnen und Leser,

am 7. September hat der Bundesgesundheitsminister die 9. Stellungnahme der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgestellt. Diese dreht sich schwerpunktmäßig um den Rettungsdienst und weist auf Verbesserungspotenziale in diesem, für uns alle so wichtigen Teilgebiet der Medizin hin. Im Kontext einer dringend gebotenen Reform der Notfallversorgung ist es gerade mit Blick auf den Rettungs- und Notarztdienst essenziell, einen ganzheitlichen Ansatz über Krankenhaus, ambulante Versorgung und Rettungsdienst zu verfolgen. Anderenfalls droht das ohnehin schon zu knapp gewordene Tischtuch, bei alleiniger Neuordnung des einen in anderen Bereichen wieder hochzurutschen. Erfreulicherweise sind die unterschiedlichen mit der Notfallversorgung befassten Player sich im Großen und Ganzen über den Ansatz erforderlicher Reformen einig, allein in der Frage des Wie zeigten sich zuletzt auch im Enneker Forum Tegernsee noch unterschiedliche Lösungsansätze.
Der Rettungsdienst muss gestärkt werden. Ihm kommen in der Reform der Notfallversorgung besondere Aufgaben und Möglichkeiten zu. Allerdings sieht sich auch dieser Bereich der prähospitalen Notfallversorgung den allgemeinen Herausforderungen von Ressourcen- und vor allem Personalknappheit gegenüber. So gilt es durch intelligente Ansätze, die Patientensteuerung und Interventionsmöglichkeiten des Rettungsdienstes so zu gestalten, dass das hohe Interesse, welches dieser spannende Bereich bei Bewerberinnen und Bewerbern aller Berufsgruppen genießt, in eine anhaltende berufliche Zufriedenheit und entsprechend längere Berufsausübung mündet. Zahlreiche Pilotprojekte, von Gemeindenotfallsanitätern über die engere Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen bis hin zur Telemedizin, haben bereits bewiesen, dass sie alle wertvolle Beiträge zur Entlastung und Stabilisierung leisten können. Nun ist es an uns, diese vom Projektstatus hin zu einer funktionierenden Regelversorgung zu entwickeln. Dabei müssen trotz aller föderalistischen Bedürfnisse verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine bundesweit einheitliche und medienbruchfreie Umsetzung und damit verbunden ein reibungsloses Funktionieren ermöglichen.
Damit er im Gemenge der verschiedenen Interessenlagen bestehen kann, müssen die Strukturen des Rettungsdienstes gefestigt und vereinheitlicht werden. Als steuernden Funktionen kommen Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst zentrale Aufgaben zu, die mit dem erforderlichen Stellenumfang und der notwendigen Neutralität und Unabhängigkeit ausgestattet werden, und vor allem der Verbesserung der prähospitalen Notfallmedizin verpflichtet sein müssen. Die Fachberufe im Bereich der prähospitalen Notfallmedizin sollten weiterentwickelt und mit funktioneller Selbstständigkeit ausgestattet werden. Fachkräfte fehlen in vielen Bereichen, gerade der Mangel an Notfallsanitätern führte in den letzten Monaten von zahlreichen alarmierenden Schlagzeilen bis hin zu Gesetzesänderungen mit einer Absenkung der Anforderungen an die Besetzung von Rettungsmitteln. Es erscheint daher wenig zielführend, nun den ärztlichen Anteil im Rettungsdienst, wie vorgeschlagen, reduzieren und durch besonders qualifizierte Notfallsanitäter substituieren zu wollen. Der Notarztdienst bedarf weiterer Professionalisierung – gemeinsam mit dem Rettungsfachpersonal sind Notärztinnen und Notärzte am Patienten auf sich allein gestellt und brauchen dafür gleichsam strukturierte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen wie tragbare Arbeitsbedingungen. Die vom jeweiligen Qualifikationsniveau erwarteten medizinischen Maßnahmen müssen sowohl erlern- als auch beherrschbar und in einer regelmäßigen beruflichen Routine zu erhalten sein, damit sie den Mitarbeitenden zumutbar und ohne negative Auswirkungen auf die Sicherheit unserer Patienten sind.
Die bisherigen Integrierten Leitstellen sind durch die Disposition von Rettungsdienst und Feuerwehr bereits heute wichtige Bestandteile der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Durch die enge Anbindung von kassenärztlichem Notdienst und einer Gesundheitsberatung müssen sie zu Gesundheitsleitstellen weiterentwickelt werden. Ziel für Patientinnen und Patienten ist es, über einen einheitlichen Ansprechpartner den Zugang zu der für das jeweilige Hilfeersuchen geeigneten Lösung zu erhalten. Es braucht allerdings neue Tasten auf der Klaviatur der Leitstellen, damit nicht jedes Hilfeersuchen nur mit Rettungswagen oder Notarzteinsatzfahrzeug bedient werden kann. Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass die neu entstehenden Angebote standardisiert und trägerübergreifend auf demselben Niveau angeboten und dadurch dann auch in systemübergreifende Indikationskataloge und Rettungsdienstgesetze eingebettet werden können. Das Plus in der Qualifikation von Rettungssanitätern für Notfall-Krankenwagen bspw. muss schon allein im Interesse der Mitarbeitenden für deren berufliche Weiterentwicklung ebenso definiert werden wie andere neue Tätigkeiten und Aufgabenfelder. Die Ärztekammern sind bspw. in der Abstimmung eines bundesweiten Curriculums für die Qualifikation in der Telenotfallmedizin schon weit vorangeschritten und bieten damit ein gutes Vorbild für die Beschreibung von Inhalten und Leitplanken für andere Teilgebiete des Rettungsdienstes.
Rettungsdienstplanung muss der anstehenden Veränderung in der Krankenhauslandschaft Rechnung tragen. Eine Zentralisierung spezialisierter medizinischer Angebote führt automatisch zu einer Veränderung in Einsatzspektrum und Auslastung der Rettungsmittel. Damit Patientinnen und Patienten zeitgerecht und zielgerichtet direkt vom Notfallort, aber auch von einem Krankenhaus zum anderen transportiert werden können, wird die Luftrettung einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Dies erfordert jedoch einen Ausbau der Landeinfrastruktur an den Krankenhäusern sowie eine Verbesserung der Tageszeit- und Wetterunabhängigkeit von Hubschraubern durch die Anpassung von Vorhaltezeiten und Nutzung moderner Flugverfahren, die im europäischen Ausland bereits heute Standard sind. Eine Ausdünnung von Behandlungskapazitäten kann nur kompensiert werden, wenn rund um die Uhr die Möglichkeit für ein zügiges Erreichen des Notfallpatienten und für einen raschen Transport in die jeweils geeignete Versorgungseinrichtung sichergestellt werden kann.
Um Rettungsdienst und Notfallversorgung weiterentwickeln und Synergieeffekte identifizieren und nutzen zu können, müssen die Möglichkeiten für Qualitätsmanagement und Versorgungsforschung erleichtert werden. Ein einheitlicher digitaler Standard für Erhebung, Übermittlung und Weitergabe von Versorgungsdaten ist dafür eine essenzielle Bedingung. Nur auf diese Weise können Routinedaten in einer sektorenübergreifenden Analyse effektiv genutzt werden.
Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen, ebenso wie die übrige Schriftleitung, viel Freude bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe.
Florian Reifferscheid
Publication History
Article published online:
05 October 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany