Rehabilitation (Stuttg) 2023; 62(04): 191
DOI: 10.1055/a-2119-1674
Aktuelles

Inklusion im Gesundheitssystem

Die Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) fordern in der „Bad Nauheimer Erklärung“ vom 12. Mai 2023 ein inklusives Gesundheits- und Pflegewesen und benennen Anforderungen, die dieses erfüllen muss. Angesichts der mit der älter werdenden Bevölkerung einhergehenden statistischen Zunahme von Behinderungen halten sie ein Umdenken im Bereich Gesundheit und Pflege für unverzichtbar, damit Menschen mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Die Anforderungen werden in der Erklärung unter Bezugnahme auf Art. 25 UN-BRK (Gesundheit) in acht Themenbereichen näher ausgeführt: Gesundheitliche und pflegerische Versorgung als Leistung der Daseinsvorsorge sicherstellen, Aktionsplan „Inklusives Gesundheitswesen“ der Bundesregierung unverzüglich umsetzen, barrierefreier Zugang zum Gesundheits- und Rehabilitationssystem, Inklusion in Lehre und Forschung verankern, spezifische Angebote für Menschen mit Behinderungen flächendeckend etablieren, Begleitung (Assistenz) im Krankenhaus ausbauen, pflegerische Versorgung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Sicherstellung realer Verfügbarkeit von häuslicher Intensivpflege (siehe auch Aktuelles-Meldung „Fachverbände befürchten Versorgungsdefizite in der Außerklinischen Intensivpflege“). Die Bad Nauheimer Erklärung steht u. a. auf der Website www.behindertenbeauftragter.de zur Verfügung.

Anlässlich der aktuellen Krankenhausreform hat ein Bündnis aus zahlreichen Verbänden einen Appell an das BMG und an Abgeordnete gerichtet, die Gesundheitsversorgung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus zu verbessern. Laut dem Appell werden Patientinnen und Patienten mit geistigen oder schweren Mehrfachbehinderungen in der Krankenhausbehandlung oft benachteiligt, weil die Gesundheitsversorgung nicht auf sie eingestellt ist. Obwohl einige Krankheitsbilder bei ihnen deutlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung auftreten, würden die Krankheiten zu spät erkannt und behandelt. Denn Symptomatik und Verlauf seien oft atypisch und die Behandlung individuell sehr spezifisch. Zudem könnten bei den Betroffenen Eigenbeobachtung sowie Kommunikation eingeschränkt sein; Diagnostik und Therapie würden evtl. durch Verhaltensauffälligkeiten erschwert. In der Folge käme es unverhältnismäßig oft zu Fehldiagnosen und Komplikationen. Die Träger des Appells fordern, Krankenhäuser technisch, personell und konzeptionell angemessen auszustatten, um für Menschen mit Behinderung eine adäquate Gesundheitsversorgung nach Art. 25 (a) UN-BRK zu ermöglichen. Ferner seien spezialisierte stationäre Angebote im Sinne des Art. 25 (b) UN-BRK erforderlich, um Personen mit besonders komplexen Gesundheitsstörungen bzw. schwerer geistiger und körperlicher Mehrfachbehinderung, deren Bedarfe von der Regelversorgung nicht gedeckt werden, angemessen behandeln zu können. Für eine Verbesserung der ambulanten Versorgung schlagen die Unterzeichnenden vor, den Ausbau der MZEB fortzusetzen und sie konzeptionell weiterzuentwickeln. Zur Schaffung bedarfsgerechter Lösungen auch im stationären Bereich machen sie im Appell beispielhaft fünf Vorschläge, die bei der anstehenden Krankenhausreform aufgegriffen werden könnten. Der Appell „Krankenhausreform im Sinne der Patientinnen und Patienten mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung gemeinsam gestalten“ ist u. a. auf www.lebenshilfe.de -> Presse (Mitteilung vom 23.05.2023) nachzulesen. Mit den Herausforderungen einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen befasst sich auch der Artikel „Versorgung von Menschen mit Behinderungen: Besondere Bedürfnisse beachten“ im Deutschen Ärzteblatt 5/2023. Die Autorin weist u. a. auf große Defizite bei der Inanspruchnahme behinderungsspezifischer Fortbildungen durch Ärztinnen und Ärzte und die Problematik unzureichender Barrierefreiheit hin.

(Quellen: Behindertenbeauftragter; Lebenshilfe; Deutsches Ärzteblatt)



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Article published online:
14 August 2023

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