Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(04): 312-313
DOI: 10.1055/a-2117-9165
Mitteilungen der DGPM
Stellungnahme

Das gemeinsame Ziel: eine gesunde Mutter und ein gesundes Kind

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die deutsche Krankenhauslandschaft steht vor grundsätzlichen Umstrukturierungen, in deren Gestaltung sich unsere Fachgesellschaft gemeinsam mit der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI), der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), also den wissenschaftlichen Fachgesellschaften, welche die ärztliche Versorgung von Schwangeren und deren Neugeborenen maßgeblich verantworten, intensiv und gut abgestimmt einbringen. Gemeinsam sind wir der Auffassung, dass eine dem 21. Jahrhundert zeitgemäße Geburtshilfe Strukturen voraussetzt, die eine adäquate Versorgung jeder Schwangeren und jedes Neugeborenen in bestmöglicher Qualität ermöglichen, wie diese in der QRF-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verbindlich beschrieben sind.

Mit großer Verwunderung, ja mit Schrecken, lasen wir im Politikteil des Deutschen Ärzteblattes vom 19. Mai 2023 über die Diskussionen zwischen Bund und den Ländern, es bestünden unterschiedliche Auffassungen und es sei nahezu noch alles offen – mit Ausnahme eines Punktes, der sich im letzten Absatz versteckt. Demnach besteht mittlerweile Einigkeit darin, „dass die Geburtshilfe künftig auch von kleineren Krankenhäusern angeboten werden könne“ [1]. Wer hat sich mit wem darauf geeinigt?

Aus unserer multidisziplinären Perspektive heraus, die sowohl das Wohl der Schwangeren als auch das Recht des Kindes auf eine adäquate Betreuung berücksichtigt, müssen wir deutlich und grundsätzlich widersprechen.

Sollte mit dieser Einigung eine hebammengeleitete Geburtshilfe in Kliniken der Grundversorgung gemeint sein, wie dies die Hebammenverbände in einer Stellungnahme vom April 2023 fordern [2], so wäre das mit einer qualitätsorientierten perinatologischen Betreuung nicht vereinbar. Zunächst ist die Versorgung im Hebammenkreißsaal bisher an strikte Aufnahmekriterien gebunden, die nur ca. 10% aller Gebärenden erfüllen. Trotz fehlender Risiken bei diesen Frauen liegt nach den praktischen Erfahrungen in Hebammenkreißsälen die Überführungsquote in eine ärztliche Betreuung insgesamt bei 40–60%. Daten der außerklinischen Qualitätssicherung QUAK zeigen, dass 2021 20% der Frauen aus Geburtshäusern während der Geburt in eine Klinik verlegt werden mussten; die Quote liegt bei Erstgebärenden sogar bei ca. 30% [3]. Dies demonstriert sehr deutlich, dass diese beiden Betreuungsformen überhaupt nur Wand-an-Wand oder in großer räumlicher Nähe zu einer Entbindungsklinik entsprechend den durch den G-BA definierten Strukturvoraussetzungen möglich sind. Wenn wir die Müttersterblichkeit in Deutschland auf dem sehr niedrigen aktuellen Niveau halten und unnötige sekundäre Verlegungen vermeiden wollen, so sollten im Rahmen der Neustrukturierung des Krankenhaussystems in Deutschland keine Strukturen etabliert werden, die eine Klinikgeburt ohne das Angebot einer unmittelbaren frauenärztlichen Betreuung ermöglichen.

Aus der Perspektive der Neugeborenen ist Geburtshilfe ohne kinderärztliche Rückendeckung unverantwortlich. Jedes Neugeborene muss das Recht haben, im Notfall unmittelbar nach der Geburt kinderärztlich versorgt zu werden. Und diese Versorgung kann dann nicht warten, bis ein kinderärztliches Team angereist kommt. Selbst bei unauffälligem Schwangerschaftsverlauf treten unter der Geburt Komplikationen auf, die eine unmittelbare kinderärztliche Betreuung erforderlich machen. Auch wenn das Risiko gering ist, können die resultierenden Gesundheitsschäden gravierend sein und lebenslang fortbestehen. Die einzige Chance für die betroffenen Kinder ist eine sofortige und adäquate Versorgung durch Kinderärzte – ein bereits seit 1992 in der UN-Kinderrechtskonvention im Artikel 24 verankertes Recht!

Die Herausforderungen der nächsten Jahre durch den demografischen Wandel wie durch einen wachsenden ärztlichen wie pflegerischen Personalmangel sind insbesondere für eine flächendeckende perinatologische Versorgung in hoher Qualität gravierend! Aus ihrer fachlichen Kompetenz haben die frauen- und kinderärztlichen Fachgesellschaften gemeinsam in den Diskussionen zur Krankenhausreform detaillierte Vorschläge vorgelegt, die an der Versorgungsqualität der sich uns anvertrauenden Frauen und ihrer Kinder orientiert sind (siehe u.a. „Modelle zu Versorgungsstrukturen in der klinischen Geburtshilfe in Deutschland“ [4]).

Denn das muss das gemeinsame Ziel sein – eine gesunde Mutter und ein gesundes Kind!



Publication History

Article published online:
20 July 2023

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