Augenheilkunde up2date 2023; 13(02): 157-175
DOI: 10.1055/a-2075-6092
Optik und Refraktion

Augenärztliche Beurteilung der Kraftfahreignung

Ophthalmologic Evaluation of Fitness to Drive
Frank Tost
,
Gernot Freißler

Zusammenfassung

Der Augenarzt muss die wesentlichen Grundlagen der Fahreignungsbeurteilung kennen. Eine Kategorisierung der vielfältigen Anliegen zur Fahreignung oder Fahrtüchtigkeit im Praxisalltag erleichtert ihm die sachlich begründete Entscheidung im Einzelfall. Es ist zwischen der medizinischen Begutachtung von Probanden (Ersterwerber oder Verlängerungsantragsteller) und der Beratung von Patienten mit chronischen Augenerkrankungen zu unterscheiden.

Abstract

The ophthalmologist must know the essential principles of the driving fitness assessment. In the case of applications for a driving license renewal, it must always be clarified before the examination whether the fitness to drive is to be checked in accordance with the special regulation for holders of a driving license issued up to December 31, 1998 (see Annex 6 to § 12 of the FeV under 2.2.3 Special regulations for the old German Road Traffic Licensing Regulations). Within the scope of grandfathering, this continues to be valid only for the so-called old holders. A categorization of the manifold concerns regarding fitness to drive or driving ability in everyday practice makes it easier for the ophthalmologist to make a factually justified decision in individual cases. In particular, a distinction must be made between the medical assessment of subjects as applicants for a driving license (first-time applicants or renewal applicants) according to the German Driving License Ordinance (FeV) and the consultation of patients with chronic eye diseases [duty to inform according to the German Patientsʼ Rights Act (PRG) and the German Civil Code (BGB), German Driving License Ordinance (FeV)]. The German Driving License Ordinance contains precise specifications for standardized testing of visual acuity and visual field as the most important partial functions of the eye. A special feature of the identified performance deficits of the eyes is that compensation by other bodily functions or supplementary technical equipment on the vehicle is not yet possible. The ophthalmologist therefore often has the task and responsibility of balancing the individual desire for mobility, in the case of professional drivers even the preservation of their jobs on the one hand, and the general societal need for safety on the other.

Kernaussagen
  • Festlegungen zur Überprüfung der Fahreignung sind durch die juristischen Vorgaben in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen sehr stark formalisiert und standardisiert.

  • Das Resultat der Fahrtauglichkeitsprüfung ist in der FeV vorgegeben und kann nur lauten: geeignet, bedingt geeignet oder nicht geeignet.

  • Vor Beginn jeder augenärztlichen Untersuchung der Fahrtauglichkeit: Identitätsprüfung und schriftliche Dokumentation der zu beantragenden Führerscheinklasse.

  • Bei der Fahreignungsbeurteilung hat die Sehschärfeprüfung immer die Vorgaben aus der DIN 58820 streng einzuhalten.

  • Bei Verlängerungsanträgen sind die Sonderregelungen für Altinhaber und der Bestandsschutz zu beachten (Stichtagregelung zur Erteilung der Führerscheinklasse vor dem 01.0.1.1999).

  • Die adäquate Beurteilung der Fahrtauglichkeit durch den Augenarzt setzt immer eine aktuelle Funktionsbestimmung gemäß den Vorgaben der FeV voraus.

  • Bei Nachfragen von Patienten während der Krankenversorgung kann die individuelle Gesundheitssituation bezüglich der Fahrtauglichkeit daher immer nur grob orientierend beantwortet werden.

  • Bei chronischen Augenerkrankungen sehen sowohl die FeV als auch das PRG/BGB eine medizinische Patienteninformation vor, der der Augenarzt auch unaufgefordert nachzukommen hat.

  • Die Information chronisch Kranker hat das Ziel, dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Lebensumstände/-situation längerfristig an den möglichen Verlust der Fahrtauglichkeit und Einschränkung seiner Teilnahme am Straßenverkehr anpassen kann. Diese Beratung ist in größeren Abständen von ca. 2 – 5 Jahren in der Patientenakte zu dokumentieren.

  • Bei Beurteilung der Fahrtauglichkeit sind zahlreiche medizinrechtliche und behördliche Vorgaben durch den Augenarzt zu beachten, die am übersichtlichsten in der Empfehlungsschrift von DOG und BVA mit der letzten Ausgabe (7. Aufl. 2019) zusammengefasst worden sind.

  • Wichtige Interpretationshilfen sind die Stellungnahmen der Verkehrskommission von BVA-DOG, Leitlinien von Fachgesellschaften und Berichte der BASt zur Kraftfahreignung sowie Verkehrssicherheitsberatung.



Publication History

Article published online:
31 May 2023

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