Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2023; 58(09): 513-524
DOI: 10.1055/a-2065-3780
CME-Fortbildung
Topthema

Pharmakologisches Management des postoperativen Delir

Pharmacological Management of Postoperative Delirium
Lisa Vasiljewa
,
Anika Müller
,
Claudia Spies

Das postoperative Delir ist eine komplexe Störung, und es gibt kein Medikament, das allein zur Delir-Behandlung geeignet wäre. In der Therapie stehen nichtpharmakologische Maßnahmen im Vordergrund – eine pharmakologische Behandlung kommt nur bei schwerwiegenden Symptomen zum Einsatz; sie sollte zeitnah, symptomorientiert und niedrigdosiert erfolgen.

Abstract

Postoperative delirium (POD) is a complex disorder with significant implications for health and well-being. Over the last few years, there has been a significant increase in awareness of the pathophysiological processes, the different clinical forms and the prevention of POD. It is known that POD develops when anaesthetic- and surgery-related precipitating factors coincide with the patient’s predisposing vulnerability. Consequently, assessing the preoperative physical, cognitive, psychological, social and resilience capabilities of patients scheduled for surgery is critical to assessing overall risk and determining optimal preoperative, intraoperative and postoperative management, particularly as pharmacological treatment options remain limited. For treatment, non-pharmacological measures remain in the foreground, pharmacological therapy is only used for severe symptoms, and should be symptom-oriented and low-dosed. There is no drug that is suitable for delirium treatment alone.

Kernaussagen
  • Das postoperative Delir (POD) und seine möglichen Folgen sind ein medizinisches Problem von großer Bedeutung, welches sowohl Patient*innen als auch Angehörige, das Gesundheitssystem und die Gesellschaft als Ganzes betrifft.

  • Das POD ist das Ergebnis des Zusammenspiels anästhesie- und operationsbezogener Faktoren und der prädisponierenden Anfälligkeit der Patient*innen. Dabei haben Patient*innen mit POD schlechtere Behandlungsergebnisse als solche ohne POD.

  • Eine umfassende Bewertung der präoperativen physischen, kognitiven, psychologischen und sozialen Fähigkeiten eines Patient*innen ist entscheidend für die Einschätzung des Gesamtrisikos für ein POD und die Festlegung eines optimalen prä-, intra- und postoperativen Managements.

  • Eine nicht pharmakologische Behandlung sollte der erste Ansatz bei der Behandlung eines POD sein, während eine pharmakologische Therapie nur bei schwerer Symptomatik in Betracht gezogen werden sollte.

  • Antipsychotika wie Haloperidol und atypische Antipsychotika können zur Behandlung psychotischer Symptome wie Halluzinationen bei POD eingesetzt werden.

  • α2-Adrenozeptor-Agonisten wie Dexmedetomidin oder Clonidin können zur Behandlung von vegetativen Symptomen wie psychomotorischer Hyperaktivität oder Hypoaktivität eingesetzt werden.

  • Angstzustände sollten bei postoperativen Patient*innen erkannt und behandelt werden, wobei der Einsatz von Benzodiazepinen nicht empfohlen wird.

  • Schmerzen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von POD, und ihre angemessene Behandlung kann dazu beitragen, das Risiko eines Delirs zu verringern.

  • Das zentrale anticholinerge Syndrom (ZAS) ist eine seltene Komplikation in der Anästhesie. Man unterscheidet die häufigere agitierte Form von einer schläfrig-komatösen; es gibt aber auch gemischte Formen.



Publication History

Article published online:
19 September 2023

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