Zusammenfassung
Ziele Zur Ermittlung der Prävalenz von chronischen Erkrankungen
auf Basis von ambulanten Krankenkassendaten wird häufig auf eine
wiederholte Nennung einer Diagnose im Laufe eines Jahres
zurückgegriffen, meist in zwei oder mehr Quartalen (M2Q). Dabei bleibt
bisher unklar, ob sich die Prävalenzschätzungen stark
verändern, wenn anstatt zwei Nennungen in unterschiedlichen Quartalen
nur eine Diagnosenennung oder wenn andere Festlegungen als Aufgreifkriterium
angewendet werden. Ziel dieser Studie ist daher die Anwendung unterschiedlicher
Aufgreifkriterien und die Analyse der Auswirkungen dieser Aufgreifkriterien auf
die Prävalenzschätzungen auf Basis von ambulanten
Diagnosedaten.
Methodik Für acht ausgewählte chronische Erkrankungen
wurde die administrative Prävalenz auf Basis der ambulanten
ärztlichen Diagnosen im Jahr 2019 ermittelt. Dabei wurden fünf
verschiedene Aufgreifkriterien verwendet: (1) einmalige Nennung, (2) zweimalige
Nennung (auch im selben Quartal oder Behandlungsfall), (3) Nennung in mindestens
zwei Behandlungsfällen (auch im selben Quartal), (4) Nennung in zwei
Quartalen und (5) Nennung in zwei aufeinander folgenden Quartalen. Für
die Analysen wurden die Daten der im Jahr 2019 durchgehend bei der AOK
Niedersachsen versicherten Personen verwendet (n=2 168 173).
Ergebnisse In Abhängigkeit von der Diagnose und der Altersgruppe
zeigten sich teilweise größere Unterschiede zwischen den
Prävalenzschätzungen bei den Kriterien der wiederholten Nennung
einer Diagnose verglichen mit der einmaligen Nennung. Diese Unterschiede in den
ermittelten Prävalenzen fielen insbesondere unter Männern und
jüngeren Versicherten recht deutlich aus. Bei der Anwendung der
zweimaligen Nennung (Kriterium 2) unterschieden sich die Ergebnisse nicht von
der Prävalenz, die durch Nennung in mindestens zwei
Behandlungsfällen (Kriterium 3) oder zwei Quartalen (Kriterium 4)
ermittelt wurde. Die Anwendung des strengen Kriteriums von zwei aufeinander
folgenden Quartalen (Kriterium 5) führte zur weiteren Verringerung der
ermittelten Prävalenz.
Schlussfolgerung Die Nutzung der Kriterien der wiederholten Nennung einer
Diagnose, die sich zunehmend als Standard zur Diagnosevalidierung in
Krankenkassendaten durchsetzt, führt zu einem teilweise deutlichen
Absinken der Prävalenz. Auch die Definition der Studienpopulation
(z. B. wiederholter Kontakt zu niedergelassenen Ärzt:innen in
zwei aufeinander folgenden Quartalen als zwingende Bedingung) kann die
Prävalenzschätzung stark beeinflussen.
Abstract
Background To determine the prevalence of chronic disease conditions based
on outpatient health insurance data, we often rely on repeated occurrence of a
diagnosis over the course of a year, usually in two or more quarters (M2Q). It
remains unclear whether prevalence estimates change after adapting repeated
occurrence of a diagnosis in different quarters of a year compared to a single
occurrence or to some other case selection criteria. This study applies
different case selection criteria and analyses their impact on the prevalence
estimation based on outpatient diagnoses.
Methods Administrative prevalence for 2019 was estimated for eight chronic
conditions based on outpatient physician diagnoses. We applied five case
selection criteria: (1) single occurrence, (2) repeated occurrence (including in
the same quarter or treatment case), (3) repeated occurrence in at least two
different treatment cases (including in the same quarter), (4) occurrence in two
quarters and (5) occurrence in two consecutive quarters. Only information on
persons with continuous insurance history within the statutory health insurance
provider AOK Niedersachsen in 2019 was used (n=2,168,173).
Results Prevalence estimates differed quite strongly depending on the
diagnosis and on age group if a criterion with repeated occurrence of a
diagnosis was applied compared to a single occurrence. These differences turned
out to be higher among men and younger patients. The application of a repeated
occurrence (criterion 2) did not show different results compared to the repeated
occurrence in at least two treatment cases (criterion 3) or in two quarters
(criterion 4). The application of the strict criterion of two consecutive
quarters (criterion 5) resulted in further reduction of the prevalence
estimates.
Conclusions Repeated occurrence is increasingly becoming the standard for
diagnosis validation in health insurance claims data. Applying such criteria
results partly in a distinct reduction of prevalence estimates. The definition
of the study population (e. g., repeated visits to a physician in two
consecutive quarters as a mandatory condition) can also strongly influence the
prevalence estimates.
Schlüsselwörter Prävalenz - chronische Erkrankungen - Aufgreifkriterium - Krankenkassendaten - Diagnosedefinition
Key words prevalence - chronic conditions - case selection criteria - claims data - diagnosis
definition