MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2023; 27(02): 118-119
DOI: 10.1055/a-2013-4803
physiokongress · Veranstaltungen

MSK-Tag am physiokongress

Am 3. und 4. Februar fand in der Messe Stuttgart parallel zur Messe Therapro endlich wieder der physiokongress in Präsenz statt. Der Freitag wurde unter der Schirmherrschaft der Zeitschrift MSK abgehalten. Die breite Themenauswahl und die gute Auswahl der Referent*innen stießen auf äußerst positive Resonanz.

Nachdem Prof. Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln ein interessantes Update zu den Erkenntnissen rundum Covid-19 gegeben hatte, stellte Pascale Gränicher, MSc, Physiotherapeutin aus der Schweiz und Mitherausgeberin der Zeitschrift MSK, anhand der Vorbereitung auf eine Hüft-TEP-Operation das Prinzip der „Prehabilitation“ vor ([Abb. 1]). Der Begriff, der erstmals in Großbritannien Mitte des vergangenen Jahrhunderts für das Training untauglicher Rekruten verwendet wurde, beschreibt heute das Bestreben, Patient*innen vor einer Operation fit zu machen, damit sie nach einer Operation schneller ein besseres Leistungsniveau erzielen („Better in – Better out!“). Da die Prehabilitation im orthopädisch-chirurgischen Bereich gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es aktuell für sie zwar nur eine geringe Evidenz. Ihr Potenzial scheint allerdings sehr groß zu sein.

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Abb. 1 Pascale Gränicher, Herausgeberin der MSK, referierte am MSK-Tag des physiokongresses in Stuttgart zu dem sehr relevanten Thema „Prehabilitation“. Quelle: © K. Oborny
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Abb. 2 Nils Runge gab am MSK-Tag einen spannenden Einblick in sein Forschungsfeld „Zusammenhang von Schmerz und Schlaf“. Quelle: © K. Oborny

Mag. Christoph Thalhamer, BSc, Referent aus Österreich, beschäftigt sich intensiv mit der evidenzbasierten Praxis. Zum Thema „Nackenschmerzen“, dem Thema seines Vortrages, gibt es zahlreiche Studien, aber es fällt auf, dass man dennoch keine Aussagen über das ideale Übungsprogramm und die optimale Dosierung treffen kann. Konsens herrscht lediglich darüber, dass der kraniozervikale Flexionstest der am besten untersuchte Funktionstest an der Halswirbelsäule (HWS) ist. Eine Möglichkeit, um bei Studien zu besseren Ergebnissen zu kommen, könnte sein, auch Kontextfaktoren zu berücksichtigen. Das würde bedeuten, für jeden untersuchten Fall die verschiedenen möglichen Risikofaktoren (sog. „Treiber“) zu benennen, um so eine bessere Untergruppenbildung zu ermöglichen.

Astrid Polzer, MSc, Physiotherapeutin aus Hamburg, und Prof. Robert Richter, Physiotherapeut und diplomierter Medizinpädagoge aus Freiburg, öffneten die Augen für das Thema „Nachhaltigkeit“. Unter dem Titel „Health for Future: Wie sich die Klimakrise auf Gesundheit und Bewegung auswirkt“ erörterten sie im Dialog verschiedene Aspekte in diesem Kontext. Neben Hitze und Lärm als Faktoren, die die Gesundheit beeinträchtigen, wurde auch auf den CO2-Ausstoß hingewiesen, den das Gesundheitswesen zur Gesamtmenge an Kohlendioxidemissionen in Deutschland beiträgt. Mit 5,2% sind das mehr als der innerdeutsche Flugverkehr. Die Physiotherapie ist dabei natürlich nicht Hauptverursacher, sondern leistet einen Beitrag zur Senkung der Emissionen, indem sie daran mitwirkt, Operationen zu vermeiden und die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Denn dann sind weniger Schmerzmittel und Klinikaufenthalte möglich, womit zwei Hauptverursacher des CO2 (die Krankenhäuser und die Pharmaindustrie) merklich zur Absenkung beitragen könnten. Außerdem rieten die Vortragenden dazu, in jeder Einrichtung eine*n Klima- oder Umweltbeauftragte*n zu benennen, die oder der sich um die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen kümmern soll. Wer Informationen zu diesem Thema sucht, findet hilfreiche Tipps auf den Seiten von „Health for Future“ und der „Environmental Physiotherapy Association“.

Marcus Kinkelin, Praxisinhaber und Gründer von „Körperwerk“, reagiert auf die Engpässe in den Praxen und deren Folge, dass die Praxen mit weniger Personal nicht mehr genug Umsatz generieren können, indem er in seinen Einrichtungen ein Klassifikationssystem eingeführt hat. Jede*r Patient*in wird von erfahrenen Therapeut*innen einer bestimmten Kategorie zugeordnet, z. B. der Kategorie „mechanisches Problem“. Je nach Kategorie wird die Therapie anders gestaltet. Worüber sich der Referent leider nicht äußerte, war die Frage, wie er die Kommunikation mit Ärzt*innen und Kostenträgern gestaltet, damit es bei der Abrechnung der Leistungen keine Komplikationen gibt. In jedem Fall müssen Patient*innen, die an Geräten trainieren, früher oder später die Unkosten selbst bezahlen.

Nils Runge, MSc, arbeitet aktuell an einer Studie zur Behandlung von Schlafproblemen bei Kniearthrose. Er hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt und konnte in seinem Vortrag dem Auditorium spannende Erkenntnisse zu Insomnie und obstruktiver Schlafapnoe vermitteln ([Abb. 2]). Spannende Einblicke in sein Arbeitsfeld gewährt er auch in dieser Ausgabe in dem Fachwissenartikel, mit dem Titel „Die Rolle von Schlafproblemen in der muskuloskelettalen Physiotherapie“ den er zusammen mit Melanie Suckow geschrieben hat!

Zum Abschluss des MSK-Tages referierte schließlich Georg Supp, Physiotherapeut aus Freiburg, über eine Studie zu Extremitätenschmerzen, die ihre Ursache im Bereich der Wirbelsäule haben („Extremity Pain of Spinal Source – EXPOSS“). Insbesondere bei Schmerzen, die ohne Trauma oder Operation auftreten, lohnt es sich in vielen Fällen, die Wirbelsäule genauer anzuschauen – selbst wenn Betroffene keine Beschwerden in diesem Bereich angeben und selbst nicht an die Wirbelsäule als Ursache denken. Ein Hinweis auf solch ein „EXPOSS“-Problem kann beispielsweise sein, wenn eine Änderung der Haltung die Symptome verändert oder die peripheren Schmerzen mit isolierten wiederholten Bewegungen der Wirbelsäule gelindert werden können. Sicher wird der eine oder die andere im Plenum zukünftig öfter an spinale Ursachen denken, wenn Patient*innen über Schmerzen in Hüfte, Knie oder Händen klagen.

Abschließend muss man dem Thieme-Organisationsteam, das die Auswahl der Vorträge an den beiden Kongresstagen zu verantworten hatte, für einen gelungenen Auftakt des Kongresses nach zweijähriger Pause danken. Die Auswahl der Themen und Referent*innen bot viel Abwechslung, und so gab es viele inhaltlich anspruchsvolle und gut gehaltene Vorträge. Chapeau!



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Article published online:
22 May 2023

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