Allgemeine Homöopathische Zeitung 2023; 268(01): 14-19
DOI: 10.1055/a-1972-9436
Spektrum

Angefeindet und bekämpft: die schwedische Homöopathin Klara Fransén und die Pandemie 1918

Stefanie Jahn

Zusammenfassung

Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Spanischen Grippe ab dem Jahr 1918 lassen sich mit denen der aktuellen Coronapandemie vergleichen. Am Ende eines Weltkriegs versuchten die Menschen, sich zusätzlich noch in einer pandemischen Krise zurechtzufinden. Soziale, psychische, ökonomische und gesundheitliche Fragen prägten private und öffentliche Debatten. Medizinische Errungenschaften standen nur einem Teil der Menschen zur Verfügung. Bereits damals waren komplementäre Verfahren gefragt und wurden teils aus Mangel an Alternativen genutzt.

Die Homöopathie war zur Zeit der Spanischen Grippe in vielen Ländern verbreitet. Konventionelle Mediziner nutzten ergänzend naturheilkundliche Verfahren. Die Integration körperlicher und psychischer Symptome, eine ganzheitlichere Behandlung und Patientenzentrierung sowie häufig bessere Verträglichkeit sorgten für Beliebtheit der komplementären Methoden in der Bevölkerung.

Der im Jahr 1910 in den USA veröffentlichte Flexner Report führte dazu, dass die ärztliche Ausbildung reformiert und Qualitätskriterien unterzogen wurde. Die US-amerikanischen Universitäten etablierten die 3 Bereiche Praxis, Lehre und Forschung. Ausbildungsstätten mit Unterricht in nichtkonventionellen Medizinrichtungen wurden als unwissenschaftlich eingestuft und mussten schließen. Pejorative Bezeichnungen wie „Scharlatan“ und „Quacksalber“ für Ärzte und Praktiker komplementärer Verfahren gab es damals wie heute. In Schweden war das Verhältnis zwischen konventionellen Ärzt*innen und Homöopath*innen besonders zerrüttet. Am Beispiel der nichtärztlichen Homöopathin Klara Fransén lässt sich exemplarisch darstellen, welchen Anfeindungen Vertreter*innen komplementärer Verfahren ausgesetzt waren. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich Homöopath*innen am medizinischen und wissenschaftlichen Diskurs beteiligen, Forschung betreiben und sich mit ihrem Wissen einbringen – vor 100 Jahren wie auch heute.

Abstract

The social and political effects of the Spanish flu from 1918 can be compared to the current covid pandemic. At the end of a world war people were additionally trying to cope with the new crisis caused by the pandemic. Social, psychological, economic and health issues were prominent in private and public debates. Medical advances were only available to a part of humankind. Complementary approaches were already in demand at this time and these were indeed used, partly due to the lack of alternatives.

Homeopathy was available widely in many countries at the time of the Spanish flu. Conventional doctors also used naturopathic approaches. The integration of physical and psychological symptoms, holistic and patient-centred treatment as well as frequently better tolerance accounted for the popularity of such complementary methods.

The Flexner Report, published in the US in 1910, led to the reform of medical training and the introduction of quality criteria. US universities established the 3 areas of practice, teaching and research. Colleges in non-conventional medical approaches were categorised as unscientific and had to close. Pejorative terms such as „charlatan“ and „quack“ for doctors and practitioners of complementary approaches were common at that time as they still are today. In Sweden the relationship between conventional doctors and homeopaths was especially poor. The example of the non-medical homeopath Klara Fransén clearly illustrates the hostility encountered by representatives of complementary methods. Yet homeopaths took part in medical and scientific discourse, pursued research and contributed knowledge – both 100 years ago and today.



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Article published online:
17 January 2023

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