Aktuelle Urol 2023; 54(02): 102-104
DOI: 10.1055/a-1946-3042
Referiert und kommentiert

Kommentar zu Komplikationsrisiko in der Pubertät nach Hypospadiekorrektur im Kindesalter

Contributor(s):
Inga Kunz
1   Zentrum für rekonstruktive urologische Chirurgie bei Kindern und Erwachsenen, Helios St. Josefshospital Uerdingen, Krefeld, Deutschland
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In der urologischen Welt besteht derzeit noch kein Konsens über die Zeitspanne, die die Nachsorge der Patienten nach einer Hypospadie-Korrektur umfassen sollte, um möglichst viele Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

Häufig wird eine möglichst lange, im Idealfall lebenslange Nachsorge empfohlen [1]. Viele Experten fordern jedoch eine Nachsorge bis mindestens nach der Pubertät da hier ein besonders großes Potenzial für Komplikationen im Zusammenhang mit der vorangegangenen Hypospadie-Korrektur gesehen wird.

Studien aus namenhaften Zentren können uns dabei helfen, einen medizinisch sinnhaften Fahrplan für das Follow-up zu erstellen.

Snodgrass und Bush präsentieren hier retrospektive Daten, die zeigen, dass ca. 80% aller Komplikationen bereits vor der Pubertät auftreten.

Erstaunlich erscheint, dass insbesondere alle Rezidiv-Verkrümmungen bereits präpubertär diagnostiziert werden und durch das Wachstum in der Pubertät hier scheinbar keine relevanten Veränderungen mehr entstehen.

Die Sorge, dass die Pubertät gute postoperative Verläufe nach einer frühen Hypospadie-Korrektur beeinträchtigt, scheint somit eher unbegründet.

Die in der Studie häufigsten postpubertär gesehenen Probleme waren obstruktiver Natur und können auch noch viele Jahre nach der initialen Hypospadie-Operation auftreten. Der älteste Patient in der Studie mit einer Striktur war 66 Jahre alt. Um auch diese Langzeitfolgen erfassen zu können, bedarf es somit in der Tat einer lebenslangen Nachsorge. Dies ist insbesondere in großen Zentren, mit Patienten mit häufig weit entfernten Wohnorten, kaum zu leisten. Die Arbeitsgruppe aus Philadelphia veröffentlichte 2020 Daten die zeigten, dass weniger als die Hälfte aller Komplikationen im ersten postoperativen Jahr entstehen und es im Median ca. 6 Jahre bis zur ersten Komplikation dauert. Daraus folgt, dass sie die Patienten bis zum 18. Lebensjahr mindestens viermal zur Kontrolle einbestellen [2]. Dies könnte auch für unsere Praxis eine praktikable Lösung sein.

Interessant ist zudem die relativ hohe Zahl an Strikturen in der Studie. Hierbei ist zu beachten, dass die eingeschlossenen Patienten zu 2/3 mittlere und proximale Hypospadien aufwiesen und im Durchschnitt 3 vorangegangene Operationen hatten. Der Harnröhrenaufbau erfolgte dabei in der Hälfte der Fälle mittels Lappenplastik und die Strikturen betrafen nahezu immer Patienten mit proximaler Hypospadie. Die durch Bracka propagierte und zunehmend populärer gewordene zweizeitige Korrektur [3] könnte hier im Langzeitverlauf möglicherweise helfen, die Inzidenz der Strikturen zu senken. Weitere große Studien mit langem Follow-up, idealerweise prospektiv geführt, sind jedoch nötig, um diese Annahme zu bestätigen.

Es bleibt festzuhalten, dass laut dieser Studie, ein Großteil der Komplikationen bereits zeitnah nach der initialen Korrektur-Operation auftreten, und die Pubertät scheinbar keinen besonderen Meilenstein in der Hypospadie-Nachsorge darstellt.

Nichtsdestotrotz tritt eine relevante Zahl an Komplikationen auch noch spät nach der Pubertät auf, dann häufig in Form von Strikturen, sodass wir dies in unserer täglichen Praxis nicht außer Acht lassen sollten.



Publication History

Article published online:
05 April 2023

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