Zusammenfassung
Die Coronavirus-Pandemie (SARS-CoV-2) stellt für die Gesellschaft eine
Herausforderung dar, die bei manchen Menschen mit psychischen Belastungen
einhergeht. Ein besonderes Risiko besteht dabei für Menschen in
forensischen Settings, insbesondere für diejenigen, die kurz vor oder
während der Pandemie aus der Haft oder Unterbringung entlassen wurden.
Wenngleich theoriegeleitete Annahmen zu den Effekten der SARS-CoV-2-Pandemie auf
das Erleben dieser Menschen zu Behandlungsempfehlungen im Sinne eines
adäquaten Risikomanagements geführt haben, mangelt es bisher an
empirischen Befunden, die diese Annahmen und Empfehlungen unterstützen.
Der vorliegende Beitrag behandelt deshalb die Wahrnehmung von Klienten
forensischer Nachsorgeambulanzen bezüglich SARS-CoV-2-assoziierter
Einschränkungen in verschiedenen Bereichen und Veränderungen
bzgl. therapie- und deliktassoziierter Einstellungen, des psychischen
Wohlbefindens und des Ressourcenbewusstseins im Verlauf der aktuellen Pandemie.
Insgesamt beschrieben die meisten Befragten eine Zufriedenheit mit der Therapie
trotz SARS-CoV-2-bedingter Einschränkungen. Es zeigte sich eine gewisse
Stabilität des psychischen Wohlbefindens, wobei eine höhere
SARS-CoV-2-assoziierte Belastung mit einem geringeren psychischen Wohlbefinden
einherging. Zudem kam es im Verlauf zu einer Abnahme eines anfänglich
beschriebenen Ressourcenbewusstseins, welche im Rahmen deliktrelevanter
Risikoeinschätzungen von besonderer Relevanz ist. Implikationen
für die Gestaltung der psychiatrisch/psychotherapeutischen
(deliktpräventiven) Nachsorge, die einerseits den Klient*innen
eine bestmögliche, personen- und situationsadäquate Behandlung
bietet und damit andererseits zum Schutz der Gesellschaft vor möglicher
erneuter Delinquenz beiträgt, werden diskutiert.
Abstract
The coronavirus pandemic (SARS-CoV-2) affects some people’s psychological
well-being and has become a challenge for our society. People in forensic
settings are at specific risk, especially those who have been released from
prison or forensic clinics just before or during the pandemic. Although there
are theoretical assumptions about these peoples’ experience of the
pandemic and recommendations for treatment and risk management, supporting
empirical findings are yet missing. The present study investigated forensic
outpatients’ experience of restrictions in various fields of their
everyday life due to SARS-CoV-2-related measures and changes in their attitudes
toward treatment and offending, psychological well-being, and resource awareness
over the course of the current pandemic. Most patients were satisfied with
treatment despite SARS-CoV-2-related limitations. There was a certain stability
in psychological well-being, although increased SARS-CoV-2-related stress was
associated with increased general psychological burden. Over the course of the
pandemic, resource awareness declined, which is of specific importance regarding
offense-oriented risk assessment and treatment. Implications are discussed for
treatment that offers optimum support based on personal and situational factors
and contributes to a lower risk of future delinquency and, thus, the protection
of our society.
Schlüsselwörter
Covid-19 - Coronavirus - Psychotherapie - Belastung - Delinquenz - Forensik
Key words
Covid-19 - psychotherapy - impairment - delinquency - forensic - coronavirus