Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2022; 57(07/08): 489-500
DOI: 10.1055/a-1882-0622
CME-Fortbildung

Psychologische Aspekte während und nach intensivmedizinischer Behandlung von ARDS

Psychological aspects during and after intensive care treatment of ARDS
Teresa Deffner
,
Anke Hierundar
,
Christian Karagiannidis

Zusammenfassung

Ungefähr 10% aller intensivpflichtigen Patienten entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom (Acute respiratory Distress Syndrome; ARDS). Durch die COVID-19-Pandemie kam es zu einer Häufung von Patienten mit schwerem ARDS. Das Erleben dieser schweren respiratorischen Insuffizienz geht mit dem Empfinden existenzieller Angst bei vielen Patienten einher. Der Beitrag stellt die psychologische Unterstützung während und nach der intensivmedizinischen Behandlung des ARDS dar.

Abstract

Approximately 10% of all patients requiring intensive care develop acute respiratory distress syndrome (ARDS). The COVID-19 pandemic led to an accumulation of patients with severe ARDS. The experience of this severe respiratory failure is accompanied by feelings of existential anxiety in many patients.

The complexity of the challenges and stresses that the disease and its treatment pose for the ARDS patient require an early multiprofessional approach to treatment already during intensive care. Psychological approaches are suitable to support the patient as well as the relatives in coping with the disease and to minimise risks for potential subsequent stress. Despite the long-term impairments of patients who have survived ARDS and the resulting need for follow-up care, suitable multimodal follow-up care concepts and the necessary care structures are still lacking. The article presents the psychological support during and after the intensive care treatment of ARDS.

Kernaussagen
  • Ungefähr 10% aller intensivpflichtigen Patienten entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS), das mit nichtinvasiver bzw. invasiver Beatmung und weiteren Verfahren wie ECMO behandelt wird.

  • Insbesondere bei nichtinvasiver Beatmung ist während der intensivmedizinischen Behandlung die Adhärenz des Patienten bezüglich der Maßnahmen von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit, da z. B. die Bauchlagerung nur vom Patienten selbst durchgeführt werden kann und er Toleranz gegenüber dem nasalen High Flow (HFNC) und der nichtinvasiven Beatmung (NIV) aufbauen muss.

  • Patienten, die wach an der ECMO behandelt werden, sehen sich mit der Situation der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Mit dieser Situation gehen Patienten unterschiedlich um, und sie kann zum Empfinden existenzieller Angst führen. In dieser Situation ist die ärztliche Gesprächsführung, die Formulierung von Therapiezielen mit dem Patienten und das Gespräch über eine mögliche palliative Behandlung von hoher Bedeutung.

  • Angehörige sollen zu jedem Zeitpunkt der Behandlung als Mitbehandler einbezogen werden. Sie unterstützen die Adhärenz des Patienten, steigern das Wohlbefinden und geben ihm die notwendige soziale Unterstützung.

  • Wichtig in allen Krankheitsphasen sind regelmäßige, strukturierte Angehörigengespräche, im Rahmen derer Angehörige konsistente Informationen sowie psychosoziale Unterstützung erhalten.

  • Vor dem Hintergrund hoher Prävalenzen u. a. für psychische Folgestörungen und Symptome im Rahmen des Post-Intensive Care Syndrome (PICS) ist für Patienten mit einem hohen Risiko für Folgebelastungen eine psychologische Nachsorge und bei Bedarf eine weiterführende therapeutische Anbindung zu empfehlen. Allerdings fehlen bislang geeignete multimodale Nachsorgekonzepte und erforderliche Versorgungsstrukturen.



Publication History

Article published online:
27 July 2022

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