Krankenhaushygiene up2date 2022; 17(04): 301-302
DOI: 10.1055/a-1876-1808
Studienreferate

Kommentar zu Probiotische Reinigung: Gibt es ein “gesundes“ Krankenhausmikrobiom?

Contributor(s):
Sebastian Schulz-Stübner

Die Berliner Studie reiht sich in eine Serie von Arbeiten aus der Mikrobiomforschung ein, die zeigen konnten, dass sich in einem Krankenhaus wie in allen Gebäuden ein relativ stabiles Umgebungsmikrobiom aufbaut, welches protektiv wirken kann, aber auch durch negative Selektion Nischen für multiresistente Erreger enthält. So zeigten Skhum et al. [111], dass die Belastung durch antibiotikaresistente Keime in Waschbeckenabflüssen im Vergleich zu anderen Oberflächen am höchsten ist. Pseudomonas aeruginosa war dabei der am häufigsten auf Oberflächen in den beiden untersuchten Intensivstationen nachgewiesene Organismus. Aus der Ganzgenomsequenzierung ging hervor, dass in jeder Einheit verschiedene P.-aeruginosa-Linien dominierten; eine P.-aeruginosa-Linie ST1894 wurde in mehreren Waschbeckenabflüssen in der neuen Intensivstation und in 3,7% der analysierten Blutisolate gefunden, was darauf hindeutet, dass dieser Klon zwischen der Umwelt und den Patienten hin und her wanderte.

Umso bemerkenswerter scheint vor diesem Hintergrund die Beobachtung von Klassert et al. in der vorliegenden Arbeit, dass gerade bei Pseudomonas aeruginosa in den Waschbeckenabflüssen eine Mengenreduktion bei probiotischer Reinigung im Vergleich zur Desinfektion zu beobachten war und die allgemeinen ARG-Nachweise geringer waren. Allerdings muss das unter dem Begriff „Biocontrol“ eingeführte Konzept des Ausbringens von „guten Erregern“ [222] [333] zur Eindämmung der Ausbreitung potenziell pathogener Organismen auch vor dem Hintergrund möglicherweise unerwünschter Interaktionen betrachtet werden. Daher ist den Autoren der Berliner Studie zuzustimmen, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt noch um eine hypothesengenerierende Arbeit handelt, deren Ergebnisse in großen Studien mit dem Endpunkt nosokomialer Infektionen überprüft werden müssen. Die grundsätzliche Idee möglichst gezielter Desinfektionsmaßnahmen anstelle flächendeckender Abtötung und Erhalt einer mikrobiellen Homöostase dürfte aber in der Umgebung genauso wichtig sein wie etwa im Darm und auf der Haut des Menschen, wobei das komplexe Zusammenspiel zwischen Bewohnern und Gebäuden dem Ganzen noch eine zusätzliche Dimension verleiht.



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Article published online:
30 November 2022

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