Zeitschrift für Phytotherapie 2022; 42(05): 226-227
DOI: 10.1055/a-1857-9168
Buchbesprechung

Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis

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Das Buch „Aromatherapie“ von 2013 erschien 2021 gänzlich überarbeitet als 2. Auflage im Stadelmann-Verlag. Es bietet auf über 1000 Seiten für 128,– Euro umfassendes und fundiertes Wissen über Herkunft, Herstellung, Charakter und Anwendung von pflanzlichen aromatischen Ölen, Wachsen, Fetten und Hydrolaten. Das Kompendium gliedert sich in eine Einführung „Wissenschaftliche Grundlagen“, in die therapeutischen Anwendungen „Therapiebereiche“ und den großen Teil „Steckbriefe“ über technisches Wissen zu den Ölen sowie zwei kleinere Buchabschnitte über die Anwendung in der Pflege und den rechtlichen Rahmen.

In einleitenden Kapiteln wird mehrfach hingewiesen auf die Komplexität olfaktorischer Wirkungen. Verschiedene Anwendungsarten kommen zur Sprache, etwa auf der Haut, als Tee, in pharmazeutischen Zubereitungsformen zum Einnehmen. Die therapeutischen Anwendungskapitel eröffnet geschickt eine Übersicht zu jeder Standardtherapie, also etwa in Dermatologie, Kinderheilkunde, Kardiologie, Onkologie, Psychiatrie, Nephrologie etc. Ein einzelner Autor wie hier der Pneumologe Dr. Wolfgang Steflitsch von der österreichischen Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie wäre leicht überfordert, alle Bereiche kundig zu bearbeiten. So wurden diese Übersichten dem MSD-Manual entnommen (https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/resourcespages/about-the-manuals), einem traditionell aufgebauten amerikanischen medizinischen Nachschlagewerk, das sich Umfassenheit und Unabhängigkeit verschrieben hat, dies aber verständlicherweise nicht an deutschen oder europäischen Leitlinien orientiert.

Der Bezug zum MSD-Manual bildet eine Grundlage für die nachfolgenden aromatherapeutischen Behandlungsempfehlungen, denen die Leserschaft auf Treu und Glauben folgen kann bzw. muss, denn für diese Behandlungs- und Anwendungsempfehlungen gilt überwiegend die Erfahrung als Leitlinie. Es fällt auf, dass die jeweiligen Krankheiten mit einer Vielzahl von Öl-Mischungen als Rezepturvorschläge inkl. Dosierungsanleitungen angegangen werden sollen, für deren therapeutische Wirksamkeit und pharmakologisches Profil trotz des großen technischen Informationsteils über ätherische Öle meist der klinische Beleg fehlt. Richtigerweise werden diese Indikationen als erfahrungsheilkundlich gekennzeichnet. Wenn wissenschaftliche Anwendungsergebnisse vorliegen, wird auch darauf hingewiesen. Sie fallen teilweise spärlich aus (z. B. Lumbago, Gelenk- und Muskelschmerzen), liegen aber für einzelne Anwendungen auch umfangreich vor, wie z. B. über antiinfektive Wirkungen von Ölen.

Der rechtliche Hintergrund stellt sich als ein schmaler Weg zwischen dem Arzneimittelgesetz (AMG) und Gesetzen und Verordnungen über Aromen, Chemikalien, Kosmetika und Lebensmittel dar. Welchem Rechtsrahmen welches Aromaöl-Produkt zugehört, bestimmt sich im Wesentlichen durch den Anwendungszweck. Jedes Produkt kann nur einer rechtlichen Kategorie angehören. Letztlich kommt der Apothekerin/dem Apotheker, die/der aromaölhaltige Produkte herstellt, die entscheidende Funktion im Vertrieb zu, wenn es sich um arzneiliche Anwendungen der Öle handelt. Hierfür sei eine Herstellungs- und Betriebserlaubnis des Bundeslandes erforderlich, schreibt der Apotheker Dietmar Wolz. Auch andere Vertriebswege sind möglich, z. B., wenn es sich um frei verkäufliche traditionelle pflanzliche Arzneimittel oder standardisierte Öle oder Ölgemische handelt. Ätherischöl-haltige Kosmetika sind ebenfalls frei verkäuflich, die gemäß der europäischen Kosmetik-Verordnung auf den Markt kommen. Bei allen therapeutischen Anwendungen ist die (pharmazeutische) Qualität nach dem Deutschen Arzneibuch bzw. Monografien zu beachten. Es werden im Buch entsprechende Hinweise zur Qualitätsbeurteilung durch die Anwendenden gegeben. Zu berücksichtigende Schädigungswirkungen durch Allergisierung und durch Zersetzungsprodukte werden beschrieben, auch, dass eine mögliche Pestizidbelastung mit vertretbarem Aufwand wegen der oft ähnlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften von ätherischen Ölen und Insektiziden/Herbiziden nicht ausgeschlossen werden könne.

Als eine Domäne der Anwendung von Aromastoffen wird die Krankenpflege herausgestellt.

Komplexe Bedingungen von der personellen Ausbildung und Expertise der Pflegenden über die Zusammenstellung, Art und Applikation der Aromastoffe bis zur innerbetrieblichen Organisation und Arbeitsanweisung bilden Hürden für eine größere Verbreitung in der Pflege. Trotzdem sieht die Berichterstatterin Ingeborg Stadelmann große Vorteile in der Anwendung. Hauptargumente sind die günstigen psychischen Wirkungen, gerade auch in der Geburtshilfe, und die antiinfektive Wirksamkeit vieler ätherischer Öle. Demgegenüber stehen mangelnde und manchmal kontradiktorische wissenschaftliche Ergebnisse, z. B. aus der Schmerzforschung.



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Article published online:
24 October 2022

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