Aktuelle Urol 2022; 53(04): 308-309
DOI: 10.1055/a-1802-4463
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: „Schützt die Zirkumzision Männer vor sexuell übertragbaren Infektionen?“

Contributor(s):
Josef Oswald
1   Abteilung für Kinderurologie, Ordensklinikum Linz GmbH, Barmherzige Schwestern, Linz, Österreich
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In dieser Studie wurde die Prävalenz von sexuell übertragbaren Infektionen (STD) insbesondere HIV als auch symptomatischer HPV-Infektionen (Condylomata acuminata) und einiger anderer STD, auf Grundlage der Dokumentation des dänischen Gesundheitsregisters von erkrankten Personen welche in Krankenhäusern als auch in Praxen diesbezüglich behandelt wurden, erfasst.

Korreliert wurden nicht zirkumzidierte Männer (n = 807344) mit Männern bei welchen aufgrund einer Phimose oder aus „nicht medizinischen Gründen“ eine Zirkumzision innerhalb des dänischen Gesundheitssystems durchgeführt wurde (n = 3.375, das sind 0,41% der Studienkohorte). Ausgeschlossen wurden dezidiert Männer welche möglicherweise aufgrund ihres religiösen Hintergrundes eine Beschneidung erfuhren, warum aus „nicht medizinischen Gründen“ eine Zirkumzision durchgeführt wurde, bleibt in dieser Analyse unklar. Die Studienperiode betrug 22 Jahre, daraus ergibt sich ein Vergleich von 17,7 Millionen Personenjahren in der nicht zirkumzidierten Gruppe vs. 73032 Personenjahren in der zirkumzidierten Gruppe.

Die Hypothese der Studienautoren ist herauszufinden, ob eine negative Korrelation von STDs und der Zirkumzision dieser Kohorten nachweisbar ist. In der Einleitung wird behauptet, es sei ungeklärt, ob die Zirkumzision sexuell übertragbare Infektionen, insbesondere HIV, reduziere, eine Vielzahl von Studien wies jedoch, v.a. in Ländern mit schwieriger medizinischer Infrastruktur, eine Reduktion von STDs, v.a. im Übertragungsmodus Frauen auf Männer, bei Zirkumzidierten von zumindest 60% nach [1]. Vorab kritisch zu hinterfragen ist die signifikant geringe Anzahl vergleichbarer Personen nach Zirkumzision von lediglich 0,41% des untersuchten Kollektives, weiter wird postuliert, dass sich Personen, welche aus traditionell religiösen Gründen zirkumzidiert wurden, sich in ihrem Sexualleben von der dänischen Gesellschaft signifikant unterscheiden.

Wesentliche Limitationen dieser Studie beziehen sich zum einen auf die Tatsache der gänzlich unterschiedlichen Prävalenz von AIDS in Afrika und Europa und zum anderen auf das Nichterfassen von asymptomatischen HPV-Infektionen in unseren Breiten. Die damit einhergehende Analyse über die Inzidenz von anogenitalen Warzen von Zirkumzidierten und Nichtzikumzidierten und dem Zervixkarzinom ist nicht möglich.

Die Analyse ergab keinen Unterschied in der Inzidenz von STDs zwischen Zirkumzidierten und Nichtzirkumzidierten, letztere weisen im Vergleich überraschenderweise sogar eine geringere Häufigkeit an Infektionen auf. Die Fallzahl an STDs liegt jedoch bei der zirkumzidierten Gruppe unter 10 wenn man die anogenitalen Warzen (n = 74) ausschließt, wenn überhaupt kann hier postuliert werden, dass kein Unterschied in der Inzidenz nachzuweisen ist, dies wird in der Studienanalyse (Robustness) bez. der Syphilis auch so beschrieben.

Die Diagnose von Condylomata per se ist undifferenziert d.h. weder Genese (z.B. perinatale Affektion vs akquiriert) noch Lokalisation (penil vs perianal) werden beschrieben. Sollte hier eine nachvollziehbare Kausalität postuliert werden, müsste man HPV-Infektionen beim Mann deshalb auch hinsichtlich des Sexualverhaltens (hetero vs homosexuell) differenzieren. Eine Korrelation von Männern mit oder ohne einer Koinfektion mit HIV wäre weiter zu berücksichtigen, nur damit könnte der Stellenwert des Präputialstatus mit der Wahrscheinlichkeit einer analen Karzinomerkrankung definiert werden [2].

Ein sinnvoller Endpunkt dieser Studie wäre eine Korrelation der in unseren Breiten wesentlichen Inzidenz des Zervixkarcinoms mit dem Zirkumzisionsstatus unter Berücksichtigung auch asymptomatischer HPV-Infektionen gewesen. Dies erscheint auch im Hinblick auf die nach wie vor niedrigen HPV-Impfraten beim Knaben wesentlich: nur letzteres wird, wie sich z.B. in Australien zeigt, eine epidemiologische Konsequenz im Sinne einer Reduktion von Malignomen im Genitalbereich bewirken [3].

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in dieser Analyse die Inzidenz von STDs in Dänemark nicht mit dem Zirkumzisionsstatus zu korrelieren scheint. Aufgrund der geringen Kohorte zirkumzidierter Männer und des unscharfen Endpunktes von anogenitalen Warzen als alleiniger Marker für eine HPV-Infektion ist die Schlussfolgerung eines Vor- oder Nachteiles einer Zirkumzision, v.a. im Hinblick auf die in Europa wesentliche HPV-Infektion, nicht möglich. Insbesondere auf Länder mit hoher HIV-Inzidenz kann diese Schlussfolgerung nicht übertragen werden.



Publication History

Article published online:
03 August 2022

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  • Literatur

  • 1 Tobian AA, Kacker S, Quinn TC. Male circumcision: a globally relevant but under-utilized method for the prevention of HIV and other sexually transmitted infections. Annu Rev Med 2014; 65: 293-306 DOI: 10.1146/annurev-med-092412-090539. (PMID: 24111891)
  • 2 Donà MG, Giuliani M, Rollo F. et al. Incidence and clearance of anal high risk Human Papillomavirus infection and their risk factors in men who have sex with men living with HIV. A. Sci Rep 2022; 12: 184 DOI: 10.1038/s41598-021-03913-5. (PMID: 34996988)
  • 3 Patel C, Brotherton JM, Pillsbury A. et al. The impact of 10 years of human papillomavirus (HPV) vaccination in Australia: what additional disease burden will a nonavalent vaccine prevent. Euro Surveill 2018; 23: 1700737