Bronchialkarzinome – (k)eine Männerdomäne

Lange Jahre galt das Bronchialkarzinom als Männerkrankheit. Das hat sich gründlich geändert. In den USA sterben inzwischen mehr Frauen an einem Bronchialkarzinom als an Brustkrebs. Ragawan et al. haben sich jetzt im Rahmen der „European Respiratory Review Series“ mit Geschlechtereffekten in der Pneumologie beschäftigt. Und die Ergebnisse sind nicht schmeichelhaft für die onkologische Community ([1], Seite 150).

Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es bereits bei vielen pathophysiologischen Aspekten der Anti-Tumor-Response und den Escapemechanismen von Tumorzellen. Das hat auch Konsequenzen im Behandlungsalltag. Klinische Studien zeigen für Frauen mit einem NSCLC unter einer Monotherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) einen schlechteren Outcome als Männer. Umgekehrt profitieren Frauen mehr von der Behandlung mit ICI, wenn sie zusätzlich noch eine Chemotherapie erhalten [2]. Auch die Tumorhistopathologie beeinflusst geschlechtsspezfische Variationen beim Überleben unter ICI-Therapie [2]–[5]. Als wichtige Faktoren in der Karzinogenese und Progression gelten die durch Sexualhormone, insbesondere β-Östradiol, modulierten intrazellulären Signalwege. Sie erklären wahrscheinlich die höhere Inzidenz von NSCLC bei weiblichen Nichtrauchern und Frauen < 50 Jahre [6].

Ragawan et al. beklagen neben der Unterrepräsentation von Frauen in Studien auch die geschlechtsspezifische Imbalance vieler Leitlinien in der Pneumoonkologie: Sie sind bis heute mehr auf Männer zugeschnitten [1]. Der Elefant steht also im Raum – groß und breit. Aber er wird noch nicht wirklich wahrgenommen. Eine aktuelle Metaanalyse von 107 Studien der Phasen II/III mit 48 095 Teilnehmern ergab eine signifikante Unterrepräsentation nicht nur von Frauen, sondern auch von Senioren sowie ethnischen Minderheiten [7].

Dr. Alexander Kretzschmar

Publication History

Article published online:
30 June 2022

• Literatur

• 1 Ragavan M. et al Eur Respir Rev. 2022; 31: 210100 DOI: 10.1183/1600061.0100-2021.
• 2 Lang D. et al Cancers. 2022; 14: 93 DOI: 10.3390/cancers14010093.
• 3 Borghaei H. et al N Engl J Med. 2015; 373: 1627-1639
• 4 Herbst RS. et al Lancet. 2016; 387: 1540-1550 DOI: 10.1016/S0140-6736(15)01281-7.
• 5 Socinski MA. et al J Thorac Oncol. 2016; 11: 1411-1422 DOI: 10.1016/j.jtho.2016.05.024.
• 6 Smida T. et al Front Oncol. 2020; 10: 137 DOI: 10.3389/fonc.2020.00137.
• 7 Riaz IB. et al Am J Med. 2022 Apr 25;S0002-9343(22)00328-X DOI: 10.1016/j.amjmed.2022.03.042. Online ahead of print. 10.1016/j.amjmed.2022.03.042