Die Wirbelsäule 2022; 06(03): 144-145
DOI: 10.1055/a-1745-3722
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Lumbale Spinalkanalstenose: Endoskopische versus minimal invasive Dekompression

Frank Hassel
1   Orthopädische Chirurgie, Loretto-Krankenhaus Freiburg, Freiburg i.Br., Germany
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Die vorliegende Metaanalyse greift ein, in der Wirbelsäulenchirurgie häufiges Krankheitsbild, die lumbale Spinalkanalstenose, auf. In den letzten Jahren hat sich die endoskopische Technik in der operativen Behandlung der LSS mehr und mehr Raum verschafft und ist somit in den Fokus vieler Wirbelsäulenchirurgen gerückt.

Perez-Ramon et al. [1] haben in dieser Studie eine systematische Suche von 5 Datenbanken unter Beachtung der PRISMA Leitlinien durchgeführt. Insgesamt bewertet wurden 470 Studien generiert und letztendlich 13 Studien herausgefiltert, die in die quantitative Analyse miteinbezogen wurden. Die Autoren haben hier ein sehr umfassendes Review vorgelegt.

Leider gibt es einige Bedenken in der Studienauswahl. Die Autoren haben in dem Abschnitt „selection criteria“ festgelegt, dass „wenn Artikel von derselben Institution mit überlappenden Kohorten publiziert wurde, sie die Studie mit der längsten Nachbetrachtungszeit gewählt haben“. Allerdings wurden zwei Studien [2] [3] in die Metaanalyse eingeschlossen, welche von der gleichen Institution (Leon Wiltse Memorial Hospital, Suwon, South Korea) publiziert wurden, inklusive demselben Erst- und Letztautor. Die Patienten wurden auch im gleichen Zeitraum (März 2016 – Oktober 2017 vs. März 2016 – Dezember 2017) untersucht, mit vergleichbaren Einschlusskriterien, wie monosegmentale lumbale Spinalkanalstenose mit einem follow-up von mehr als 12 Monaten. Außerdem waren die Ausschlusskriterien nahezu identisch: Patienten mit Instabilität, Infektionen, Frakturen, muskuloskelettale Beschwerden, oder Voroperationen an der LWS auf gleicher Höhe. Sehr wahrscheinlich haben beide Studien die gleichen Patienten geteilt und beobachtet, deshalb sollte nur eine der beiden Studien mit in die Meta-Analyse einfließen, um eine Beeinflussung der Ergebnisse zu vermeiden.

Ein weiteres Problem liegt in der mangelnden Differenzierung der MIS Technik. Hier wurden Studien mit MIS-Zugängen, sowie Mikrochirurgische Techniken mit „Tubes“ vermischt. Unter „MIS“ lassen sich leider viele verschiedene Zugangstechniken subsumieren. Wichtig wäre hier die Definition mit Fokus auf eine sicher durchgeführte Muskelschonung. Bei der endoskopischen Technik kamen sowohl uniportale Verfahren (mit einem Endoskop und Zugang, gerne auch „Full-Endoscopic“ genannt) und biportale Techniken (aktuell vor allem im asiatischen Raum modern, „BESS“ abgekürzt) zum Einsatz.

Auch diese endoskopischen Verfahren lassen sich nur bedingt vergleichen, stellen sie doch unterschiedliche Techniken und somit auch unterschiedliche Anforderungen an den Operateur dar [4].

Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen in jedem Fall ein vergleichbares Outcome nach 12–24 Monaten bei MIS und endoskopisch behandelten Patienten. Ein postoperativer Vorteil für die Endoskopie beim VAS Rückenschmerz ist hier sicherlich zu erwarten gewesen und deckt sich auch mit unseren Erfahrungen [5]. Die Reduktion von Beinschmerzen war in der MIS- und Endoskopie- Gruppe gleich gut und zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede. Sehr schön herausgearbeitet wurde von den Autoren auch der Vergleich zwischen uni- und biportaler endoskopischer Technik. Hier ergaben sich bezüglich der einzelnen Parameter keine wesentlichen Unterschiede. Der Krankenhausaufenthalt zeigte eine signifikante Verkürzung bei den endoskopisch operierten Patienten. Die Komplikationen hielten sich bei allen untersuchten Verfahren die Waage und lagen auf einem niedrigen Niveau.

Insgesamt betrachtet haben die Autoren die Stärken und Schwächen ihres Reviews sehr schön herausgearbeitet. Die Tendenz von MIS-Techniken zur Endoskopie, als minimalinvasiverer Methode, setzt sich immer weiter durch. Die Endoskopie zeigt vor allem in der perioperativen Phase einen weiteren Vorteil gegenüber den MIS-Verfahren, in signifikant weniger Rückenschmerzen, kürzerer Liegedauer und geringerem Blutverlust. Interessant wären weitere Studien mit Fokus auf PROMS und Infektionen nötig. Hier warten wir noch auf größere prospektive, randomisiert-kontrollierte Studien zur endoskopischen Dekompression bei lumbaler Spinalkanalstenose.



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Article published online:
26 August 2022

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