Dialyse aktuell 2022; 26(06): 255
DOI: 10.1055/a-1742-6946
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Dialyseversorgung in Deutschland

Mark Dominik Alscher
1   Stuttgart
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Prof. Dr. med. Mark Dominik Alscher, Stuttgart

Die Leistungserbringung im Medizinsektor muss sich an den wesentlichen Parametern Überleben der Patienten, Vermeidung von Zusatzerkrankungen (Komorbiditäten) sowie Qualität und Verbesserung des Lebens der uns anvertrauten Patienten orientieren. Gleichzeitig haben wir derzeit eine große gesellschaftliche Diskussion, wie viel Geld eine Nation für die Gesunderhaltung der Bevölkerung ausgibt und wie teuer die notwendigen Interventionen sein dürfen. Die Gesellschaft hat einen Anspruch darauf, dass die eingesetzten Ressourcen effektiv verwendet werden („value-based medicine“) und möglichst großen Nutzen stiften.

Es gibt viele Stimmen, welche mit guten Argumenten darauf hinweisen, dass das derzeitige System ineffektiv ist und bei einer Kommerzialisierung Rationalisierungspotenziale gehoben werden können. Genauso gibt es gut begründete Stimmen, welche genau das Gegenteil behaupten und insbesondere darauf hinweisen, dass bei einer Kommerzialisierung des Gesundheitssektors Themen wie Überleben der Patienten, Qualität der Versorgung und weitere Endpunkte negativ beeinflusst werden könnten.

Unabhängig von den jeweiligen Positionen erfahren wir derzeit, dass das Gesundheitswesen vor einer Disruption steht, welche alles Bisherige in den Schatten stellt. Für das Thema Digitalisierung gibt es ein hohes Potenzial, zahlreiche Leistungen auch kommerziell abzudecken. Weiter erleben wir, dass alle Fachgebiete mit einer großen technischen Komponente und damit hohem unternehmerischem Risiko für den Einzelnen potenziell attraktiv sind für eine Übernahme durch kommerzielle Anbieter, welche häufig in Ketten organisiert sind. Durch die Optimierung der Wertschöpfungskette, eine große Einkaufsmacht und andere Faktoren lassen sich vereinfacht Gewinne erwirtschaften, was eigentlich nur ein Sekundärphänomen bei der Gesunderhaltung der Bürger sein sollte. Es wundert deshalb nicht, dass Fächer wie Labormedizin, Radiologie, Kardiologie, aber auch insbesondere die Dialyseversorgung Felder sind, in denen dies derzeit gut zu beobachten ist.

Um dem Leser einen Überblick zu geben, unter welchen Aspekten die jeweiligen Leistungsanbieter der verschiedenen Trägerschaften für Dialyseeinheiten Prämissen setzen, haben wir verschiedene Repräsentanten gebeten, dazu Artikel zu verfassen. Für das Modell freies Unternehmertum bzw. Arzt in freier Verantwortung sind Vertreter des Verbandes Deutsche Nierenzentren (DN) e. V. eingeladen, dazu einen Artikel zu erstellen. Gleichzeitig sind wir auf einen ärztlichen Vertreter einer gemeinnützigen „Kette“, die Patientenheimversorgung (PHV), zugegangen. Weiter haben wir eine leitende Ärztin eines kommerziellen Anbieters (B. Braun) gebeten, ihre Schwerpunkte in der Dialyseversorgung zu beschreiben. Abrundend haben wir dann noch einen Artikel zu nephrologischen Krankenhausabteilungen addiert, den ich selbst übernommen habe, da diese Leistungsform durchaus eigene Gesetzmäßigkeiten hat und derzeit strukturell gefährdet ist. Diese Form ist aber z. B. für die Fort-, Aus- und Weiterbildung des Faches sehr wichtig.

Alle 3 Autoren kenne ich gut aus meinen verschiedenen Funktionen in der DGfN, Symposien und wissenschaftlichen Vorträgen, und ich bin sehr froh, dass wir hiermit herausragende Repräsentanten und Fachleute für das Thema „Dialyseversorgung in Deutschland“ gewinnen konnten. Alle Autoren sind unabhängig und autark denkend, und ich bin mir sicher, dass wir dadurch eine sehr spannende Lektüre bekommen haben, welche sich etwas unterscheidet von den fachlich orientierten Artikeln, die üblicherweise in der „Dialyse aktuell“ vorgesehen sind. Insgesamt halte ich eine fruchtbare, konstruktive und gemeinsame Diskussion über die Zukunft der Dialyseversorgung für wichtig. Wir sollten alles tun, bei diesem Thema immer alle Aspekte einzubringen und offen miteinander die Vor- und Nachteile jeweils zu diskutieren. In diesem Sinne freue ich mich, wenn dieses Heft Ihr Interesse findet, Sie aus den jeweiligen Artikeln viele Impulse mit für Ihre tägliche Arbeit nehmen und vielleicht die eine oder andere Diskussion angestoßen wird.



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Article published online:
04 August 2022

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