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DOI: 10.1055/a-1741-5060
Nachrichten des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken e. V.

Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung Teil II: Die neue Krankenhausplanung in NRW – was gilt für die akutstationäre Rheumatologie
Der erste Teil des Beitrags wurde in den Verbandsnachrichten in Ausgabe 1/2022 der arthritis + rheuma veröffentlicht.
Die Krankenhausplanung obliegt ebenso wie die Finanzierung der Investitionskosten traditionell den Bundesländern. Insofern kann die neue Krankenhausplanung im NRW auch als ein Versuch gesehen werden, die Hoheit über die Strukturierung der Krankenhausversorgung zu behalten. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland mit 20–25 % aller bundesweiten Fälle und Krankenhausbetten. Entscheidungen, die in NRW getroffen werden, haben damit bereits rein quantitativ eine Auswirkung auf die bundesweite Versorgung. Am 20. August 2021 wurden die Grundzüge der neuen Krankenhausplanung in NRW vorgestellt [[1]] und am 29. September die konkretere Rahmenplanung [[2]] im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales diskutiert. NRW stellt die Planung von Betten auf Fälle pro definierte medizinische Leistungsgruppen um. Alle Krankenhausstandorte sollen in 2022 ihre Versorgungsaufträge neu beantragen. Für die Prüfung und Zuweisung der neuen Versorgungsaufträge wurden 64 Leistungsgruppen (LG) definiert, die 32 Leistungsbereichen (LB) zugeordnet sind. Die LB orientieren sich an den Weiterbildungsordnungen (WBO) der Ärztekammern und dienen vornehmlich der Strukturierung der LG. Jedem LB werden eine oder mehrere LG zugeordnet. Das zentrale Steuerungselement der Krankenhausplanung bilden jedoch die LG. Die den jeweiligen LG zugehörigen Leistungen dürfen von einem Krankenhaustandort nur erbracht werden, wenn die LG im Feststellungsbescheid auch zugewiesen wurde. Die LG unterteilen sich nochmals in so genannte allgemeine und spezifische LG. Spezifische LG wurden überall dort geschaffen, wo Leistungen als besonders steuerungsnotwendig erachtet wurden. Häufig – aber nicht immer – handelt es sich um komplexere Leistungen, für die eine Konzentration auf weniger und damit höher spezialisierte Standorte angestrebt wird. Spezifische LG weisen fast immer eine Falldefinition, meist über OPS-Kodes und ggf. ergänzt über ICD-Kodes und/oder das Alter auf. Dies erlaubt eine relativ exakte Bedarfsermittlung und quantitative Zuweisung der Leistungen. Die allgemeinen LG definieren sich dagegen über die WBO. Wurde einem Krankenhausstandort im Feststellungsbescheid eine allgemeine LG zugewiesen, darf das gesamte Leistungsspektrum der WBO erbracht werden, soweit die betreffenden Leistungen nicht einer spezifischen LG zugewiesen sind. Aufgrund der fehlenden spezifischen Falldefinition erfolgt die Bedarfsermittlung über Fälle, die aus einer Fachabteilung mit entsprechendem Fachabteilungsschlüssel nach § 301 SGB V entlassen wurden.
Für die Gebiete der Inneren Medizin und Chirurgie existieren allerdings Ausnahmen von dieser Regel. Für die Teilgebiete („Facharztkompetenzen“) in der Inneren Medizin wurden beispielsweise eigene LB und mit Ausnahme der Kardiologie, Hämatologie/Onkologie und Geriatrie auch stets nur eine eigene allgemeine LG („Komplexe …“ für die Gastroenterologie, Nephrologie, Pneumologie, Rheumatologie sowie Endokrinologie und Diabetologie) geschaffen. Die Leistungen der WBO der Teilgebiete dürfen auch dann erbracht werden, wenn im Feststellungsbescheid nur die allgemeine LG „Allgemeine Innere Medizin“ zugewiesen wurde. Ausgenommen sind lediglich die Leistungen der spezifischen LG in den LB Kardiologie, Hämatologie und Onkologie sowie Geriatrie. Eine getrennte Bedarfsermittlung für die allgemeinen LG der Teilgebiete erfolgt nicht ([ Abb. 1 ]). Ebenso wird es keine Auswahlentscheidungen geben.


Wenn sich ein Krankenhausstandort auf eine LG bewerben will, muss er bestimmte qualitative Mindestvoraussetzungen erfüllen. Darüber hinaus werden auch weitere qualitative Kriterien vorgegeben, an denen sich die Planungsbehörden bei Auswahlentscheidungen orientieren sollen (sog. Auswahlkriterien). Ausnahmen stellen auch hier die allgemeinen LG der Teilgebiete dar. Jeder Krankenhausstandort, der die einer LG zugeordneten Mindestvoraussetzungen erfüllt, bekommt die LG der Teilgebiete auch zugewiesen.
Die qualitativen Vorgaben unterteilen sich in Abhängigkeiten (Erbringung verwandter Leistungsgruppen), die Vorhaltung von Geräten, fachärztliche Vorgaben sowie sonstige Struktur- und Prozesskriterien auf Bundes- und Landesebene. Mindestfallzahlen wurden trotz der gesetzlichen Möglichkeit (§ 13 Abs. 1 KHGG) nicht genutzt ([ Abb. 2 ], [ Abb. 3 ]).




Bei den Abhängigkeiten werden in der Regel für komplexere LG die LG der Grundversorgung (LG „Allgemeine Innere Medizin“, LG „Allgemeine Chirurgie“ und LG „Intensivmedizin“) oder weitere sinnvolle ergänzende LG als Basis für den Krankenhausstandort gefordert. Für Fachkliniken, die keine Grundversorgung anbieten, bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von dieser Regel. Die LG „Intensivmedizin“, die bei fast allen LG zusätzlich am Standort gefordert wird, weist 3 unterschiedliche Stufen an Qualitätsanforderungen („Basis“, „Komplex“ und „Hochkomplex“) auf. Bei den Abhängigkeiten von der LG Intensivmedizin wird bei den einzelnen LG daher auch immer das notwendige Mindestlevel der Qualitätsanforderung der LG „Intensivmedizin“ mit angegeben. Für viele LG werden 3 am Standort beschäftigte Vollzeitäquivalente (VZÄ) näher bestimmter Facharztqualifikationen vorgegeben. Ebenso ist in der Regel ein durchgängiger Rufdienst (24/7) mit der entsprechenden Facharztqualifikation vorgesehen. In einzelnen LG wird von dieser Regel abgewichen.
Im Gebiet der Inneren Medizin – also auch in der Rheumatologie – ist es damit für die Leistungserbringung primär ausschlaggebend, ob die Mindestvoraussetzungen für die Leistungsgruppe „Allgemeine Innere Medizin“ erfüllt werden. Hierzu gehören beispielsweise, dass 3 Vollzeitäquivalente mit einer Facharztqualifikation aus dem Gebiet der Inneren Medizin am Standort beschäftigt werden und eine entsprechende fachärztliche Rufbereitschaft gewährleistet werden kann. Zusätzlich wird auch die Zuweisung der LG „Intensivmedizin“ mit der Qualitätsanforderung „Basis“ (3 intensivmedizinisch erfahrene fachärztliche VZÄ, mind. Rufbereitschaft 24/7, davon ein VZÄ mit der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ oder ein VZÄ mit der Facharztkompetenz „Anästhesiologie“, Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen, Notfall-Labor am Standort oder Notfall-Labor in Kooperation plus Point-of-Care-Laboranalytik am Standort) benötigt. Die Leistungsgruppe „Allgemeine Chirurgie“ muss zumindest in Kooperation vorgehalten werden, ebenso muss die Möglichkeit, eine Computertomografie 24/7 durchführen zu können, zumindest durch eine Kooperation sichergestellt werden. Die restlichen Mindestvoraussetzungen ([ Abb. 2 ]) dürften in der Regel problemlos zu erfüllen sein.
Zusätzlich existiert auch eine allgemeine Leistungsgruppe „Komplexe Rheumatologie“ ([ Abb. 3 ]), wobei, wie oben dargestellt, alle Leistungen der WBO der internistischen Rheumatologie bereits im Versorgungsauftrag für die LG „Allgemeine Innere Medizin“ enthalten sind. Eine quantitative Bedarfsplanung soll zunächst nicht erfolgen, da die Leistungen der Rheumatologie datentechnisch schwer trennscharf von Leistungen anderer internistischer Teilgebiete abgegrenzt werden können. Auswahlentscheidungen bei einem rechnerischen Überangebot von Leistungen oder vielen kleineren Standorten in einem Regierungsbezirk sollen somit in der Rheumatologie noch nicht erfolgen. Jeder Krankenhausstandort, der die Mindestvoraussetzungen erfüllt und sich auf diese LG bewirbt, wird diese damit auch zugewiesen bekommen. Die Funktion der allgemeinen LG „Komplexe Rheumatologie“ ist damit eher in einer Darstellung besonderer Kompetenz in der Außenwirkung zu sehen. Wesentlich für die Zuteilung der LG „Komplexe Rheumatologie“ ist die Vorhaltung von 3 Vollzeitäquivalenten mit einer Facharztqualifikation der „Inneren Medizin und Rheumatologie“ oder „Orthopädie und Unfallchirurgie“ mit der Zusatzbezeichnung „Orthopädische Rheumatologie“.
Für die LG „Komplexe Rheumatologie“ sind ein Sonografiegerät und eine Osteodensitometrie am Standort vorzuhalten. An sonstigen Struktur- und Prozesskriterien werden „physiotherapeutische, ergotherapeutische und schmerztherapeutische Kompetenz“ am Standort sowie „interdisziplinäre Fallkonferenzen“ gefordert. Eine konkrete Definition der vielen genutzten unbestimmten Rechtsbegriffe ist bislang noch nicht erfolgt. Es steht auch noch nicht fest, wie diese nachgewiesen werden müssen.
Rein formal könnte auch ein Standort ohne 3 internistische VZÄ, sogar allein über chirurgische fachärztliche VZÄ mit der Zusatzbezeichnung „Orthopädische Rheumatologie“ bei paralleler Vorhaltung einer LG des LB „Orthopädie und Unfallchirurgie“ die LG „Komplexe Rheumatologie“ beantragen und zugewiesen bekommen. In der Praxis dürfte dies in NRW allerdings kaum vorkommen. Umgekehrt können rheumatologische Kliniken davon profitieren, Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung „Orthopädische Rheumatologie“ auf die Mindestvoraussetzungen der 3 fachärztlichen Vollzeitäquivalente und den Rufdienst mit angerechnet zu bekommen. Beachtenswert ist allerdings, dass Fälle, die aus einer Fachabteilung der Orthopädie mit Schwerpunkt Rheumatologie (Fachabteilungsschlüssel nach § 301 SGB V: „2309“) entlassen werden, beim Bedarf der „Inneren Medizin“ berücksichtigt werden (Stand der Rahmenvorgaben vom 29.09.2021).
Jeder LG wird eine Planungsebene zugewiesen, für die der Bedarf ermittelt und die Zahl der Standorte in regionalen Planungskonferenzen festgelegt werden soll. Der Rahmenplan sieht vor, dass auf der jeweiligen Planungsebene mindestens ein Standort die Leistungen der LG anbieten soll. Es handelt sich aber ausdrücklich um eine Mindestvorgabe und keine Regelgröße. Für die LG der Grundversorgung (LG „Allgemeine Innere Medizin“, LG „Allgemeine Chirurgie“ und LG „Intensivmedizin“) und die LG „Geriatrie“ stellt der Kreis bzw. die kreisfreie Stadt die Planungsebene dar. Dabei ist für die LG der Grundversorgung eine Erreichbarkeit von maximal 20 PKW-Fahrzeitminuten für mindestens 90 % der Bevölkerung maximal jedoch 30 PKW-Fahrzeitminuten vorgesehen. Die meisten LG wie auch die LG „Komplexe Rheumatologie“ sollen zukünftig auf der Ebene der 5 Regierungsbezirke beplant werden.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
19. April 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Pressemitteilung des Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2021 https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/mehr-bedarfsorientierung-mehr-qualitaetsorientierung-mehr-patientenorientierung
- 2 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2021. Vorlage 17/5764. https://www.landtag.nrw.de/home/der-landtag/tagesordnungen/WP17/2000/E17-2022.html (Download am 26.09.2021)
- 3 Roeder N, May P-J, Richard Kösters R, Fiori W. Neuausrichtung der NRW-Krankenhausplanung.. das Krankenhaus 2021; 10: 873-892
- 4 Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 136b Abs. 3 SGB V im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), Bundestags-Drucksache 19/26822 vom 19.02.2021
- 5 https://iqtig.org/aktuell/news/bericht-des-iqtig-zur-neukonzeption-der-entwicklung-und-bewertung-der-planungsrelevanten-qualitaetsindikatoren-veroeffentlichtteil-a/