Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(01): 32-33
DOI: 10.1055/a-1741-3506
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Kommentar zu Jugendliche mit Typ-2-Diabetes: Spätfolgen sind häufig und kommen früh

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Die vorliegende prospektive Studie bestätigt frühere Querschnittsuntersuchungen, die ein gesteigertes Risiko für Komplikationen bei Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes ergaben [1]. Während des 15-jährigen Follow-ups litten zwei Drittel der Teilnehmer an arterieller Hypertonie, jeweils mehr als die Hälfte der Teilnehmer an einer Fettstoffwechselstörung, diabetischer Nephropathie und diabetischer Retinopathie und ein Drittel der Teilnehmer an diabetischer Neuropathie. Mindestens eine Komplikation trat bei 60% der Teilnehmer und mindestens zwei Komplikationen bei fast 30% der Teilnehmer auf. Darüber hinaus kam es, wenn auch in einzelnen Fällen, bereits zu schwerwiegenden makrovaskulären Folgeerkrankungen bei den zum Zeitpunkt des Follow-Ups 26 Jahre alten Teilnehmern. Vermutlich war die Komplikationsrate noch höher angesichts der anzunehmenden fehlenden Erfassung weiterer Ereignisse infolge des unvollständigen Follow-ups bei einem Viertel der Teilnehmer. Auch ist anzunehmen, dass sich die vor Aufnahme in die Beobachtungsstudie erfolgte Teilnahme an einer klinischen Studie, die entweder eine rein medikamentöse Behandlung mit Metformin oder Metformin und Rosiglitazon oder eine Metformin-Gabe kombiniert mit einer intensiven Lebensstilintervention umfasste, günstig auf die Stoffwechseleinstellung und in der Folge auf die Komplikationsrate auswirkte. Insgesamt scheint das Risiko für Komplikationen bei Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes deutlich gesteigert im Vergleich zu Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes [2] oder Menschen mit Typ-2-Diabetes, deren Erkrankungsbeginn im Erwachsenenalter liegt [3]. Die Gründe für diese Unterschiede sind zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Risikofaktoren für die Entwicklung von Komplikationen bei Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes waren in der vorliegenden Arbeit Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, Hyperglykämie, arterielle Hypertonie und Dyslipidämie. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit früheren Arbeiten, die ein erhöhtes Risiko für nichtübertragbare Krankheiten bei Menschen mit Migrationshintergrund ergaben. Die beobachteten Zusammenhänge könnten auf die Notwendigkeit einer aggressiven Behandlung der Glukosestoffwechselstörung und seiner Begleiterkrankungen unmittelbar nach Diagnose eines Typ-2-Diabetes im Jugendalter hinweisen, um der Entwicklung von Komplikationen entgegenzuwirken. Darüber hinaus kommt der Primärprävention der Adipositas, als wichtigsten Risikofaktor für Typ-2-Diabetes im Jugendalter größte Bedeutung zu. Nicht zuletzt da konservative Maßnahmen der Gewichtsreduktion vielfach frustran und in vielen Fällen nur bariatrische Eingriffe erfolgsversprechend sind. Auch ist die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes im Jugendalter limitiert. Zugelassen zur Behandlung sind in Deutschland neben Insulin lediglich Metformin und der Glucagon-like-peptide 1 (GLP-1)-Rezeptoragonist Liraglutid. Gerade für die glukosesenkende Therapie mit Sodium-glucose linked transporter 2 (SGLT2)-Hemmern, für die neben der Verbesserung des Glukosestoffwechsels auch positive Auswirkungen auf kardiovaskuläre Endpunkte und die Progression der Niereninsuffizienz gezeigt wurden, liegt noch keine Zulassung für die Behandlung des Typ-2-Diabetes im Jugendalter vor. Zudem ist augenblicklich offen, ob auch im Jugendalter ähnlich positive Effekte wie im Erwachsenenalter erzielt werden können. Im Gegensatz zu der Behandlung des Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter ist die Anzahl klinischer Studien im Kindes- und Jugendalter sehr begrenzt. Zudem konnten in einer Reihe von pädiatrischen Typ-2-Diabetes-Studien die angestrebte Stichprobengröße nicht erreicht werden infolge der erschwerten Rekrutierung. Aus diesem Grunde sollten Prüfer und Sponsoren zukünftiger klinischer Studien Bedingungen schaffen, die den Einschluss von Kindern und Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes verbessert [4]. Die schwerwiegenden Komplikationen, die bei einem großen Anteil der Menschen mit im Jugendalter erstdiagnostizierten Typ-2-Diabetes auftreten, stellen nicht nur für den Einzelnen, sondern für das Gesundheitssystem an sich eine große Belastung dar. Einmal mehr wird deutlich, wie notwendig es ist, die Forderungen der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) nach verbindlichen Maßnahmen zur Begünstigung einer ausgewogenen Ernährung umzusetzen. So ist beispielsweise eine Softdrink-Steuer, die in Großbritannien zu einer Abnahme des Zuckergehaltes um 34% in zuckergesüßten Getränken innerhalb von zwei Jahren führte, in Deutschland längst überfällig angesichts aktueller Studien, die belegen, dass häufiger Konsum zuckergesüßter Getränke das Auftreten von Übergewicht und Fettleber fördern [5].



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Article published online:
21 February 2022

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