Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2022; 50(01): 33-45
DOI: 10.1055/a-1697-2234
Leitlinie

Leitlinie Anästhesiologische Versorgung bei Hund und Katze

Guideline for the anaesthetic management of dogs and cats Fachgruppe Veterinärmedizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS) der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e. V.

Gründe für das Erstellen einer Leitlinie

Das Risiko, in Zusammenhang mit einer Allgemeinanästhesie [ 1 ] zu versterben, ist für anästhesierte Tiere ungleich höher als für den Menschen. So versterben [ 2 ] 0,05 % der gesunden (ASA 1–2, Kasten 3) und 1,33 % der kranken Hunde (ASA 3–5) [4]. Für die Katze sind die Zahlen mit 0,11 % bzw. 1,4 % ähnlich kritisch zu beurteilen. Andere Studien bestätigen das relativ hohe Risiko oder ermitteln sogar ein höheres [3], [7], [8]. Die Veterinärmedizin liegt damit in einem Bereich, der in der Humanmedizin 1940 erreicht wurde.

Dort konnte in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Reduktion der Anästhesie-assoziierten Mortalität erreicht werden. So starben 1970–1980 noch 2 Patienten pro 10000 Anästhesien (0,02 %), 1980–1990 hingegen nur noch 0,4 (0,004 %) und heute etwa 0,055–0,1 Patienten pro 10000 Anästhesien (0,00055–0,001 %) [11].

„There should be no deaths due to anaesthesia.“

Sir Robert Reynolds MacIntosh 1949 (erster Lehrstuhlinhaber für Anästhesiologie in Europa)

Beim Menschen hat die Einführung einer eigenen Facharztausbildung für „Narkose und Anästhesie“ (1952) und die daraus resultierende ständige Beschäftigung mit der Thematik zu einer rasanten Zunahme der Kenntnisse und Fähigkeiten geführt. So konnte eine Reduktion der Anästhesie-bedingten Mortalität trotz Anstieg des Alters und der Erkrankungshäufigkeit/-schwere der Patienten erreicht werden. Die in den 1980er Jahren beobachtete sprunghafte Reduktion der Anästhesie-bedingten Mortalität wird der parallel erfolgten Entwicklung und Implementierung weiterer Sicherheitsstandards wie der Pulsoximetrie und der Kapnometrie zugeschrieben [10], [11].

Die Tiermedizin sollte danach streben, an den Erfolg der Humanmedizin anzuknüpfen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Verbesserung von Aus-, Fort- und Weiterbildung vor allem der Tierärzteschaft (Aufwertung der Anästhesiologie als eigenes Lehrfach im Studium, bundesweite und einheitliche Einführung einer entsprechenden Fachtierarztbezeichnung, Schaffung einer Berufsperspektive für diesen), aber auch der tiermedizinischen Fachangestellten. Leitlinien können dazu beitragen, die Qualität der anästhesiologischen Versorgung unserer Haustiere zu verbessern und zu gewährleisten. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag dazu, das Risiko unserer Haustiere während einer Allgemeinanästhesie oder Sedation zu versterben, Schaden zu erleiden oder unnötig zu leiden, zu minimieren.

Aus diesem Grund wurde von der Fachgruppe Veterinärmedizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS) der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e. V. im Jahr 2016 eine Leitlinie zur Anästhesie von Hund und Katze erstellt, die nun mit dem vorliegenden Text in aktualisierter Form vorliegt.



Publication History

Received: 05 October 2021

Accepted: 07 October 2021

Article published online:
02 March 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin. 2016 Leitliniengrundlagen. https://www.leitlinien.de/leitlinien-grundlagen (letzter Aufruf am 02.12.2020)
  • 2 Association of Veterinary Anaesthetists (AVA). 2008 Empfohlene Voraussetzungen zur Durchführung einer Vollnarkose bei Hunden, Katzen und Pferden. Abgerufen am 13. Mai 2015 von http://www.ava.eu.com/recommendations/AVAde.pdf
  • 3 Bille C, Auvigne V, Libermann S. et al. 2012; Risk of anaesthetic mortality in dogs and cats: an oberservational cohort study of 3546 cases. Vet Anaesth Analg 39: 59-68
  • 4 Brodbelt DC. 2006 The Confidential Enquiry into Perioperative Small Animal Fatalities. PhD Thesis, Royal Veterinary College, University of London. Royal Veterinary College, University of London, and The Animal Health Trust.
  • 5 Bundesärztekammer (BÄK). 1997; Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versorgung – Beschlüsse der Vorstände der Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. Dtsch Ärztebl 94: 2154-2155
  • 6 Davis H, Jensen T, Johnson A. et al. 2013; 2013 AAHA/AAFP Fluid Therapy Guidelines for Dogs and Cats. JAAHA 49: 149-159
  • 7 Gil L, Redondo JI. 2013; Canine anaesthetic death in Spain: a multicentre prospective cohort study in 2012 cases. Vet Anaesth Analgesie 40: e57-e67
  • 8 Grammel L. 2017 Prospektive Studie zur Evaluation der Patientensicherheit in der Anästhesie beim Hund. Diss med. vet, Justus-Liebig-Universität Gießen.
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  • 10 Gottschalk A, Van Aken H, Zenz M. et al. 2011; Ist Anästhesie gefährlich. Dtsch Ärztebl Int 108 (27) 469-474
  • 11 Renner J, Grünewald M, Bein B. 2015; Patientensicherheit in der Anästhesie – Kann der Anästhesiste das Outcome verbessern?. Anästhesiol Internsivmed Notfallmed Schmerzther 50: 314-321 ( DOI: 10.1055/s-0040–100222).
  • 12 Rohwedder L, Alef M. 2014; Evidenzbasierte Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation bei Hund und Katze. Tierärztl Prax 42 (K): 263-271
  • 13 Tinker JH, Dull DL, Caplan RA. et al. 1989; Role of Monitoring Devices in Prevention of Anesthetic Mishaps: A Closed Claims Analysis. Anesthesiology 7: 541-546