Psychother Psychosom Med Psychol 2022; 72(01): 7-8
DOI: 10.1055/a-1686-4682
Editorial

Das 50-jährige Jubiläum des Bergin and Garfield Handbook of Psychotherapy and Behavior Change

The 50th Anniversary Edition of Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change
Michael Barkham
1   Department of Psychology, The University of Sheffield, Großbritannien
,
Wolfgang Lutz
2   Klinische Psychologie & Psychotherapie, Universität Trier, Deutschland
,
Louis G. Castonguay
3   Department of Psychology, Penn State University, USA
› Author Affiliations

In diesem Editorial zum neuen Jahr möchten wir Ihnen die gerade erschienene 7. Auflage des Bergin & Garfield‘s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change vorstellen [1]. Es handelt sich daher um ein etwas ungewöhnliches Editorial, da hier vor allem ein besonderes Buch bzw. dessen 50-jähriges Jubiläum besprochen wird. Bergin und Garfields „Handbook of Psychotherapy and Behavior Change“ wird auch oft als die „Bibel“ oder das „heilige Buch“ der Psychotherapieforschung bezeichnet. Seit 1971 wird das Werk in regelmäßigen Abständen überarbeitet und neu aufgelegt.

Diese 7. Auflage des Handbooks ist ein Meilenstein, der gefeiert werden muss. Seit seiner Einführung ist das Handbuch ein Eckpfeiler der Psychotherapieforschung, ein Standardwerk, das einen enormen Einfluss auf die wissenschaftlichen Grundlagen und die Entwicklung psychotherapeutischer Konzepte sowie die psychotherapeutische Versorgung in vielen Ländern der Welt hatte und hat.

In den letzten 50 Jahren hat sich in der Psychotherapieforschung eine enorme Dynamik entwickelt. Eine Suche nach dem Begriff „Psychotherapieforschung“ auf Google Scholar zwischen 1970 und 1995 (d. h. in dem 25-jährigen Zeitraum, der den ersten vier Ausgaben des Handbuchs entspricht) ergibt etwa 384 000 Veröffentlichungen. In den letzten 25 Jahren (d. h. 1996–2020) gab es dagegen mehr als doppelt so viele Veröffentlichungen (ca. 825 000) zum Thema Psychotherapieforschung. Die Aufgabe der vergangenen sechs Ausgaben bestand darin, die Quintessenz der empirischen Veröffentlichungen zusammenzustellen und neue Erkenntnisse zu erörtern Die aktuelle Jubiläumsausgabe setzt diese Tradition fort, indem sie die zentralen Erkenntnisse sowohl der aktuellen Entwicklungen als auch der sich abzeichnenden Fortschritte auf diesem Gebiet zusammenfasst.

Dieses renommierte Referenzwerk, so hoffen wir, wird auch in seiner neuen Auflage ein unverzichtbares Nachschlagewerk für die Psychotherapieforschung und –praxis bleiben. Wir denken, dass es den breitesten Überblick über die Forschungsergebnisse im Feld der Psychotherapie für Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen und Studierende bietet. 67 Autorinnen und Autoren aus 12 Ländern, alle renommierte Expert*innen auf ihrem jeweiligen Gebiet, haben an dieser Jubiläumsausgabe mitgearbeitet und bieten detaillierte und aktuelle Einblicke in ihr jeweiliges Fachgebiet.

In Anerkennung des 50-jährigen Jubiläums enthält die neue Ausgabe ein Vorwort des ehemaligen Herausgebers Allen E. Bergin, sowie Kommentare von einer ehemaligen Autorin und einem ehemaligen Autor des Handbooks, Irene Elkin und Albert Bandura, der leider kurz nach Fertigstellung seines Kommentars verstorben ist.

Thematisch deckt das Handbuch auch in dieser Auflage den neuesten Stand in den zentralen Hauptthemen der Psychotherapieforschung ab, z. B. historische, konzeptionellen und methodische Fragen, (psychometrische) Messungen und Rückmeldungen von Therapiefortschritt, Fragen der Wirksamkeits- und Praxisforschung, Prädiktoren, Moderatoren und Mediatoren erfolgreicher Psychotherapien, Qualitative Methoden und Befunde, Effekte und Wirkungsweise klassischer und neuer therapeutischer Konzepte und Formate sowie eine Diskussion von offenen Fragen und zukünftigen Forschungsrichtungen. Die Kapitel wurden entweder vollständig neu geschrieben, oder bestehende Inhalte aktualisiert. Andere Kapitel enthalten komplett neue Themen, darunter zum Beispiel, Merkmale wirksamer Therapeutinnen und Therapeuten, Achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Therapieverfahren, moderne daten-gestützte personalisierte Behandlungsansätze sowie Internettherapien und die damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen. Dazu kommen ausgezeichnete Kapitel von zum Beispiel Mei Yi Ng und Koautor*innen zur Psychotherapie bei Kindern- und Jugendlichen oder von Steve Hollon und Ko-autor*innen zu Psychotherapie und Psychopharmaka-Behandlungen oder von Alan Kazdin zu einer verbesserten Verbreitung bzw. Dissemination psychotherapeutischer Interventionen. Mei Yi Ng war auch bei der letzten Ausgabe bereits als Autorin vertreten und die beiden letztgenannten Autoren haben bereits an der zweiten Auflage des Handbooks im Jahre 1978 mitgearbeitet. Sie gehören zu den bekanntesten Psychotherapieforscher*innen überhaupt. All diese exzellenten erfahrenen und neuen Autorinnen und Autoren für dieses Buch zu gewinnen, war eine große Freude für uns als Herausgeber. Das Werk hat insgesamt 848 Seiten und schließt mit einer Überblickstabelle zu allen Kapiteln und Autorinnen und Autoren aller sieben Auflagen ab. Die gesamte Kapitelübersicht kann man auf der Webseite zu dem Buch bei Wiley leicht einsehen. Es ist sowohl als gebundene Ausgabe sowie als digitale Version erhältlich.

In Anbetracht der Entwicklung und Internationalität des Fachgebiets wurden im Laufe der vorangegangenen sechs Ausgaben des Handbuchs mehrere Schlüsselfragen behandelt, die auch heute noch relevant sind. Sie wurden jetzt durch neue Themen und Fragestellungen ergänzt. Dazu gehören, neben den oben bereits genannten, auch neue Entwicklungen in Bezug auf eine evidenzbasierte Praxis und praxisbasierte Evidenz, Standardisierung und Replikation, neue Modellierungskonzepte in der Prozessforschung sowie zu Therapeuteneffekten, technologische Entwicklungen, Diversität und kulturelle Aspekte der Psychotherapie sowie Fragen im Zusammenhang mit theoretischer Integration und transtheoretischen Modellen und personalisierter Psychotherapie.

Während seiner gesamten Geschichte war das Handbuch eng mit der internationalen Society for Psychotherapy Research (SPR) verbunden (https://www.psychotherapyresearch.org/). Allen E. Bergin, Sol L. Garfield und Michael J. Lambert – die drei früheren Herausgeber - sowie die drei aktuellen Herausgeber waren oder sind noch immer aktive Mitglieder der SPR. Als multidisziplinäre wissenschaftliche Vereinigung ist es das Ziel der SPR, die Forschung und die weltweite Kommunikation von Therapieergebnissen zu fördern, um das Verständnis, die Wirksamkeit und den gesellschaftlichen Wert von Psychotherapie zu verbessern. Dies stand und steht in vollem Einklang mit den primären Zielen dieses Handbuchs, das einen Überblick über die wichtigsten empirischen Befunde in der Psychotherapie geben und Implikationen für die klinische und wissenschaftliche Praxis aufzeigen soll. Auf diese Weise hat das Handbuch über viele Jahre hinweg nicht nur ein breites internationales Interesse geweckt, sondern ist durch die Integration von Autor*innen aus der ganzen Welt selbst immer internationaler geworden.

Einer der Faktoren, der die Wirkung des Handbuchs erklärt, ist der breite und therapieschulen übergreifende Fokus. Seit der ersten Ausgabe enthält es empirische Erkenntnisse aus verschiedenen Theorien psychologischer Veränderungen und Ansätze psychotherapeutischer Interventionen sowie aus unterschiedlichen methodologischen Perspektiven. Die vorliegende siebte Auflage bildet auch hier keine Ausnahme. Vereinfacht gesagt, das Handbook sollte zur Grundausstattung einer jeden Psychotherapeutin und eines jeden Psychotherapeuten sowie einer jeden Psychotherapieforscherin und eines jeden Psychotherapieforschers gehören.



Publication History

Article published online:
03 January 2022

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  • Literatur

  • 1 Barkham M, Lutz W, Castonguay LG. (eds.) Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 7th ed New York: Wiley; 2021