Hands on - Manuelle und Physikalische Therapien in der Tiermedizin 2022; 4(01): 48
DOI: 10.1055/a-1685-0436
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Der Knoten im Taschentuch

Doris Börner
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Vergissmeinnicht – Sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren und auf sein eigenes Energieniveau zu achten sollte an erster Stelle stehen. © maljalen/stock.adobe.com

Endlich: 3 ganze Wochen Urlaub. Nur mit mäßiger Aufmerksamkeit folge ich der Sicherheitsbelehrung im Flugzeug, denn die letzten Tage der Abreise waren zumindest ein Halbmarathon. Wie immer weist die freundliche Flugbegleitung nicht nur auf die Lage der Notausgänge, sondern auch darauf hin, dass wir uns im Notfall zunächst einmal selbst die Sauerstoffmaske anlegen sollen, bevor wir dem Sitznachbarn dabei assistieren. Ein schönes Beispiel dafür, dass man sich manchmal erst um sich selbst kümmern muss, bevor man anderen helfen kann.

Gerade Menschen in kurativen Berufen, scheint allerdings genau dies oft sehr schwer zu fallen. Sich selbst an die erste Stelle zu setzen widerspricht häufig dem anerzogenen oder erworbenen Selbstbild, das uns durch unseren Arbeitsalltag begleitet: Wer sich selbst zurückstellt, ist ein besserer Mensch.

Sich selbst an die erste Stelle setzen.

Ruhephasen, Zeiten für Erholung und Reflektion werden immer wieder aufgeschoben, zusammengekürzt oder fallen ganz aus, weil wieder einmal ein Kollege oder eine Kollegin erkrankt ist, oder sich kurz vor dem geplanten Feierabend doch noch ein Patientenbesitzer Sorgen um sein Tier macht.

Wie geduldig, bedacht, empathisch und umsichtig können wir unsere Patienten jedoch unterstützen, wenn wir nicht ein Auge auf unser eigenes Energieniveau haben?

Mit Abstand betrachtet wird sichtbar, was aus der Nähe manchmal nur noch schwer zu erkennen ist: Wenn wir nicht auf uns selbst achten, dann wird es niemand tun. Nur mit ausreichend gelebter Selbstfürsorge werden wir anderen langfristig und zuverlässig helfen können.

Grenzen setzen und Pausen machen.

Grenzen setzen, seine Werte und eigene Bedürfnisse ernst nehmen, Pausen machen und nach dem Pareto-Prinzip auch einmal mit 80% zufrieden sein, sind nur einige Dinge, die wir alle in unseren Alltag und Arbeitsalltag einbauen können. Genau dies sollten wir nicht nur aus Verantwortung für uns selbst, sondern auch aus Verantwortung für unsere Patienten tun. Denn wie im Flugzeug können wir nur dann eine stabile und zuverlässig Stütze sein, wenn wir uns erst um uns selbst kümmern.

Vielleicht also einfach einmal der Erinnerungsfunktion des Handys die Rolle der Flugbegleitung zuweisen und diese als „Knoten im Taschentuch“ nutzen, um sich selbst im Alltag nicht aus den Augen zu verlieren. Oder wie der US-amerikanische Unternehmer Jim Rohn es einmal so brillant formulierte: „Take care of your body. It’s the only place you have to live“.

Dr. Doris Börner



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Article published online:
30 June 2022

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