Nervenheilkunde 2022; 41(01/02): 36-41
DOI: 10.1055/a-1680-5023
Übersichtsarbeit

Die schizoaffektive Störung

Eine diagnostische Entität mit vielen GesichternThe schizoaffective disorderA diagnostic entity with many faces

Authors

  • Melanie Kugelmann

    1   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Ulm, Deutschland
  • Heiko Graf

    1   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Ulm, Deutschland
  • Alexander Rüger

    1   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Ulm, Deutschland
  • Carlos Schönfeldt-Lecuona

    1   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Ulm, Deutschland
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ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund Die Diagnose einer schizoaffektiven Störung (SAS) weist im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen eine nur sehr niedrige Interrater-Reliabilität auf. Eine mögliche Ursache hierfür kann in Unterschieden diagnostischer Kriterien zwischen den verschiedenen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5 liegen, die mit dieser Arbeit untersucht werden sollen. Insbesondere werden auch die Abweichungen zwischen verschiedenen Ausgaben der ICD-10 berücksichtigt.

Methode Die Kriterien zur Diagnose der SAS im Taschenführer zur ICD-10, in den klinisch-diagnostischen Leitlinien zur ICD-10 sowie im DSM-5 wurden systematisch miteinander verglichen. Ebenso berücksichtigt wurden hierbei die Ausschlusskriterien verwandter psychischer Störungen.

Ergebnisse Alle 3 genannten Klassifikationssystemen stimmen darin überein, dass die SAS durch affektive Symptome und mindestens ein schizophrenes Symptom einer Schizophrenie charakterisiert ist. Deutliche Unterschiede liegen jedoch in der genauen Symptomspezifikation, der für die Diagnose erforderlichen Dauer und zeitlichen Überlappung der Symptome, den Ausschlusskriterien und in möglichen Zusatzkodierungen (insbesondere Remissionen).

Schlussfolgerung Sowohl zwischen DSM-5 und ICD-10 als auch zwischen den zur Verfügung stehenden Versionen der ICD-10 unterscheiden sich die Diagnosekriterien einer SAS zum Teil deutlich. Dieser Artikel soll eine Übersicht zur Vereinfachung der Kommunikation bieten. Bei der Einführung der ICD-11 ist darauf zu achten, innerhalb dieses Manuals einheitlicher zu werden und einen besseren Übergang zum DSM-5 zu ermöglichen.

ABSTRACT

Background Compared to other psychiatric disorders, schizoaffective disorder (SAS) shows only very low diagnostic interrater reliability. As a possible cause, the discrepancies between different diagnostic systems (ICD-10 & DSM-5) will be investigated here, especially considering the variations between different editions of the same manual – the ICD-10.

Methods The criteria for the diagnosis of SAS in the pocket guide to ICD-10, in the clinical diagnostic guidelines to ICD-10 and in DSM-5 were systematically compared. The exclusion criteria of related disorders were also considered.

Results In agreement, all three manuals show that SAS is characterized by affective symptoms and at least one schizophrenic symptom. However, clear differences exist regarding the exact symptom specification, duration and temporal overlap of symptoms, exclusion criteria, and possible specifications (especially in remission).

Conclusion Both between DSM-5 and ICD-10 and also within ICD-10, the diagnostic criteria for SAS differ widely. This article provides an overview to facilitate communication. When ICD-11 is introduced, care should be taken to become more consistent within this manual and to allow for a better transition to DSM-5.



Publication History

Article published online:
09 February 2022

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