Der Nuklearmediziner 2021; 44(04): 311-312
DOI: 10.1055/a-1660-7531
Editorial

Quo vadis NET? – Aktuelle Konzepte zur Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren (inkl. pädiatrischer Nierendiagnostik)

Quo vadis NET? – Current concepts in diagnosis and therapy of neuroendocrine tumors
Andrei Todica
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, LMU Klinikum, München, Deutschland
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die ersten Ansätze zur nuklearmedizinischen Bildgebung und Therapie neuroendokriner Tumore (NET) liegen schon über 30 Jahre zurück. Ende der 80er-Jahre wurden die ersten Bilder noch mit 123I-Octreotid und die ersten Therapien Mitte der 90er-Jahre mit 111In-Pentetreotid (OctreoScan) durchgeführt. Mittlerweile stehen uns deutlich fortschrittlichere diagnostische und therapeutische Optionen zur Verfügung. Obwohl die Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) mit 177Lu-DOTA-TATE seit knapp 20 Jahren mit großem Erfolg zum Repertoire der nuklearmedizinischen Therapie von NET gehört, steht erst seit der erfolgreichen, multizentrischen Phase-3-Studie (NETTER-1), das von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) 2017 zugelassene Präparat Lutathera für die Therapie von Patienten mit einem gastro-entero-pankreatischen NET (GEP-NET) als zugelassenes Präparat zur Verfügung. Seit Ende 2016 ist in Europa zudem auch ein zugelassener Kit für die Präparation von 68Ga-DOTA-TOC (SomaKit TOC) verfügbar. Nach einigen Verzögerungen erfolgte die routinemäßige Anwendung von Lutathera in Deutschland erst ab Mitte des Jahres 2020.

Vor dem Hintergrund dieser erfolgversprechenden Entwicklungen und der zunehmenden Interdisziplinarität der Behandlung von GEP-NET, soll diese Ausgabe ein Update zum aktuellen Stand der Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren darstellen. Es sollen auch aktuelle interdisziplinäre Therapien berücksichtigt und zukünftige Entwicklungen im Bereich der nuklearmedizinischen Theranostik beleuchtet werden.

Den Gatekeeper für jede adäquate, onkologische Therapie stellt, insbesondere im Rahmen theranostischer Anwendungen, die Bildgebung dar. Dabei zeichnet sich insbesondere die Hybridbildgebung durch ihre komplementären Informationen mit hoher Sensitivität und Spezifität aus. Der aktuelle Stand und neue Entwicklungen in der Diagnostik bei NET-Patienten werden dabei in dem CME-Beitrag von Ilhan et al. zusammengefasst.

Die Behandlung von Patienten mit einer neuroendokrinen Neoplasie erfolgt immer interdisziplinär. Hierbei kommt es insbesondere auf die enge Abstimmung und Zusammenarbeit von Endokrinologen/Internisten, Radiologen, Nuklearmedizinern, Chirurgen und Onkologen an. Der Beitrag von Auernhammer et al. leistet dabei einen wichtigen Beitrag, die PRRT in dem Gesamtkontext verfügbarer systemischer Therapieoptionen einzuordnen. Ein Leitlinien-adaptierter Therapiealgorithmus zeigt hierbei, wie diese Patientengruppen am Klinikum der LMU München behandelt werden.

Auch wenn die Indikationen zur Durchführung der PRRT interdisziplinär gestellt werden, liegt die Evaluierung, Planung, Durchführung und zum Teil auch die Nachsorge dieser Patienten im Verantwortungsbereich des Nuklearmediziners. In einem vornehmlich praxisorientierten Beitrag beleuchten dabei Buck et al. genau diese Abläufe. Dabei wird insbesondere anhand eines Fallberichts die PRRT bei Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz aufgearbeitet.

Die systemisch wirkenden (Radio-)Pharmaka machen unbestritten den Großteil des Behandlungsspektrums bei der Therapie von neuroendokrinen Neoplasien aus. Interventionelle Tumortherapieverfahren, insbesondere die Radioembolisation von Lebermetastasen (SIRT), erweitern dabei das Spektrum an Therapieoptionen bei der Behandlung von NET-Patienten. Im Beitrag von Puhr-Westerheide et al. beleuchten und bewerten die Autoren die Verfahren zur lokalen Tumortherapie einschließlich SIRT, Radiofrequenz-Ablation, transarterielle Chemoembolisation oder auch Brachytherapie. Ein Fokus der Arbeit liegt hierbei auch auf potenzielle Komplikationen dieser interventionellen Maßnahmen.

Zur Maximierung des Therapieerfolges bzw. zur Minimierung der Nebenwirkungen und Toxizität ist bei Radionuklidtherapien eine exakte, patientenindividuelle Dosisabschätzung von großer Bedeutung. Brosch-Lenz et al. beleuchten dabei in ihrem Artikel den aktuellen Stand und die Herausforderungen der bildbasierten Dosimetrie bei der PRRT und SIRT von NET Patienten. Der Beitrag hebt dabei die Notwendigkeit einer routinemäßigen Dosimetrie zur Therapieoptimierung hervor, um auch den gesetzlichen Vorgaben zu genügen.

Die Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren mittels PRRT stellt ein Paradebeispiel für das Konzept der Theranostik bei der Behandlung von Krebspatienten dar. Die Zulassung von Luatathera für die PRRT bei NET-Patienten markiert hierbei einen Durchbruch. Dieser Erfolg lässt dabei die Hoffnung aufblühen, dass hierdurch auch weitere theranostische Liganden, die derzeit erprobt werden, klinisch eingesetzt werden und ggf. die Marktreife erlangen können. Einen Überblick über die zukünftigen therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten bieten hier Pabst et al. in ihrem Beitrag.

Zum Abschluss soll auch noch die pädiatrische Nierendiagnostik beleuchtet werden. Ein sehr wichtiges Thema welches leider häufig, wie die pädiatrische Nuklearmedizin im Allgemeinen, weniger Beachtung findet. In ihrem Beitrag stellen Vettermann et al. eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen nuklearmedizinisch-pädiatrischen Untersuchungsmethoden bei der Diagnostik von Nierenerkrankungen zusammen. Dabei werden praxisorientiert alle Abläufe beginnend mit der Indikation über den Untersuchungsablauf bis hin zu der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse beleuchtet.

Wir hoffen, dass es uns mit diesen Beiträgen gelungen ist, eine für Sie interessante und praxisrelevante Ausgabe des Nuklearmediziners zusammenzustellen und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.



Publication History

Article published online:
29 November 2021

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