Nervenheilkunde 2022; 41(01/02): 8-18
DOI: 10.1055/a-1650-1998
Editorial

Corona-Depression, Eco-Angst, Stress, Resignation und Resilienz

Manfred Spitzer

Bereits vor der Corona-Pandemie gehörten seelische Störungen weltweit zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt, wobei Ängste und Depressionen wiederum den Hauptteil davon ausmachten. Dies hatte nicht zuletzt die im Fachblatt Lancet publizierte Studie „Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study (GBD)“ aus dem Jahr 2019 gezeigt [20], [21]. Die zusätzlichen Auswirkungen der seit dem Frühjahr 2020 in mehreren Wellen verlaufenden Corona-Pandemie lassen sich daher recht gut erfassen, denn man hat Vergleichsdaten aus dem Jahr unmittelbar davor. Hierbei sind nicht nur die direkten Auswirkungen der Krankheit COVID-19 (und der Angst, daran zu erkranken) zu berücksichtigen, sondern auch die indirekten Effekte der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens: Körperlicher Abstand und soziale Einschränkungen, Schul- und Geschäftsschließungen, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und drohender oder tatsächlicher Verlust des Lebensunterhalts oder gar der Existenzgrundlage. Die Weltbevölkerung erlebt seit fast 2 Jahren einen kaum je dagewesenen völligen Kontrollverlust gegenüber einem kleinen Viruspartikel. War noch im Frühjahr/Frühsommer 2021 ein Rückgang der Sorgen und Ängste zu verzeichnen, so machte die neue ansteckendere Variante des Virus dem ein rasches Ende. Bekanntermaßen führt Unsicherheit bei Menschen zu Stress, insbesondere dann, wenn sie Sicherheit gewohnt sind. Dies kann bekanntermaßen die psychische Gesundheit von Menschen erheblich beeinträchtigen und längerfristig zu „gelernter Hilflosigkeit“ führen, einer der wesentlichen psychologischen Ursachen von Angst, Stress und vor allem Depressionen. Hinzu kommt das immer stärkere Gewahr- und Bewusstwerden der Folgen des Klimawandels in breiten Schichten der Bevölkerung: Diese zweite Krise, viel größer als Corona, ist in den Köpfen der Menschen angekommen. Was macht das Erleben zweier Krisen mit uns? – Seit dem Beginn der Corona-Pandemie wird über deren Auswirkungen in der medizinischen Fachliteratur berichtet. Hinzu kamen dieses Jahr Berichte und Arbeiten zu Eco-Angst und zu den längerfristigen Auswirkungen des Durchlebens der mit beiden Krisen einhergehenden negativen Gefühle. Was also weiß man darüber?



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
09. Februar 2022

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