Osteologie 2021; 30(03): 196-198
DOI: 10.1055/a-1558-7805
Editorial

Epigenetik und microRNAs in der Osteologie

Epigenetics and microRNAs in osteology
Franz Jakob
1   Bernhard-Heine-Centrum für Bewegungsforschung und Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde, Würzburg, Deutschland
,
Eric Hesse
2   Institute of Molecular Musculoskeletal Research, Musculoskeletal University Center Munich, University Hospital, LMU Munich, Germany
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Liebe Leserinnen und Leser der Osteologie, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Epigenetik beschäftigt sich mit Änderungen der Genregulation, die an der Basenabfolge der DNA nichts verändern. Epigenetische Mechanismen ändern die Architektur der DNA und der Histon-Proteine auf die sie aufgespult sind durch chemische Modifikation der Basen und / oder der Proteine. Das hat zur Folge, dass die DNA dicht gepackt oder offen vorliegt und dass sie demgemäß gut oder schlecht zugänglich und ablesbar ist für die Transkriptionsmaschinerie der Zelle, die Information aus der DNA in mRNA umschreibt. Das Verständnis für diese Mechanismen wird durch neuere Forschungsergebnisse derzeit rasant verbessert. Auch die modernen Hochdurchsatz-Methoden für die Genom-Sequenzierung haben dazu sehr viel beigetragen. So wissen wir heute, dass die über 90% unserer DNA, die nicht für Proteine kodieren, nicht „Abfall“ sind, wie lange geglaubt. Diese DNA wird zum großen Teil in nicht-kodierende RNAs umgeschrieben, die ihrerseits regulative Eigenschaften haben und die auch in die epigenetische Regulation der Zugänglichkeit unserer DNA eingreifen. Im Rahmen der Corona-Pandemie, speziell der rasant schnellen Impfstoff-Entwicklung auf RNA-Basis, wird uns gerade allen sehr klar, welches Potential für Medikamentenentwicklung in der für uns alle neuen RNA-Welt steckt. Waren die Wissenszuwächse in der Epigenetik und in der RNA-Welt bis dahin eher noch gefühlt weit weg von der klinischen Umsetzung, so zeigte sich jetzt deutlich, dass die Corona-Krise einen sehr starken Schub mit sich bringen kann für die Entwicklung von Medikamenten, sei es auf der Basis der RNA-Interferenz, der Verabreichung kleiner, regulativer microRNAs (miRNAs) oder der Verabreichung von mRNA zur verstärkten Produktion von Eiweißen, wie bei der Corona-Impfung.

Epigenetische Veränderungen der DNA können zum Teil vererbt werden. Die molekularen Mechanismen der Vererbung sind noch nicht ganz verstanden. Besser, wenn auch nicht vollständig, verstanden sind hingegen die dynamischen Änderungen der Chromatin-Architektur durch epigenetische Regulationsmechanismen. Die Begriffe Silencer und Enhancer sind besser verständlich geworden, entsprechende regulative DNA-Abschnitte sind identifiziert und funktionell charakterisiert. Methylierung von DNA und die Modifikation von Seitenketten der Histonproteine mit Methyl- oder Acetylgruppen werden auch in der Medizin geläufiger, und Kleinmoleküle, mit denen man z. B. Histondeacetylasen therapeutisch beeinflussen kann, sind teilweise bereits in der Klinik. Der Begriff der Epigenetik ist mit dem Anwachsen unserer Kenntnisse über solche Mechanismen erweitert worden. Insbesondere wurde klarer, dass das Netzwerk der involvierten Proteine auch anfällig ist für Störungen und eine wichtige Quelle für Pathologien werden kann. Alters-assoziierte Erkrankungen wie Krebs, Osteoporose und Arthrose sind besonders eng damit verknüpft.

Obwohl nicht-kodierende RNAs nicht zuvorderst zum Instrumentarium epigenetischer Regulation gehören, wird doch immer deutlicher, dass nicht-kodierende RNAs sehr stark in die Regulation epigenetisch aktiver Player involviert sind. An dieser Stelle eröffnen sich auch Möglichkeiten der Beeinflussung epigenetischer Phänomene durch die oben beschriebene RNA-Welt mit erheblichem therapeutischem Potential. Wir sind der Meinung, dass es sehr zeitgemäß ist, sich mit all diesen in der Medizin recht innovativen Erkenntnissen und den Möglichkeiten der therapeutischen Beeinflussung zu befassen. Die neuen Erkenntnisse sind ebenso faszinierend wie die sich entwickelnden neuen Therapieformen. Sie werden ein Umdenken erfordern und die meisten klinisch aktiven Ärztinnen und Ärzte werden sich in Kürze im klinischen Alltag damit auseinandersetzen müssen.

Wir hoffen, dass wir Sie alle mit diesem Heft für das Thema interessieren können und dass wir ein komplexes Gebiet verständlich dargestellt haben. Die Autoren der Artikel zum Thema sind alle in die Forschung involviert und viele sind zudem ärztlich tätig. Wir hoffen mit dieser Ausgabe gemeinsam einen wichtigen Betrag zum besseren Verständnis dieses Themenkomplexes geleistet zu haben. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viele neue Erkenntnisse und Freude an der Tatsache, dass wir Teil einer für ÄrztInnen und PatientInnen gleichermaßen umwälzenden Entwicklung sein können.

Für die AutorInnen
Prof. Dr. Franz Jakob
Prof. Dr. Eric Hesse



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Article published online:
17 September 2021

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