MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2021; 25(05): 260
DOI: 10.1055/a-1555-1966
Buchbesprechung

Muskeln, Faszien und Schmerz – Fundiertes Wissen über den Schmerz

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Der emeritierte Professor für Anatomie an der Universität Heidelberg richtet sich mit seinem Buch nach eigenen Worten „an alle Berufsgruppen, die sich mit dem Bewegungsapparat und dessen schmerzhaften Störungen befassen“ und hat aber auch Betroffene im Blick, die „mehr über die Funktion des motorischen Systems wissen möchten“. Ein schönes Ansinnen, doch für Letztere ist das Buch aus meiner Sicht trotz ausführlicher Erklärungen zu fachspezifisch. Für die Fachleute bietet das Werk hingegen viele Informationen zu einem spannenden Thema von hoher klinischer Relevanz.

Ausführlich erklärt Mense die neuroanatomischen und -physiologischen Grundlagen des tiefsomatischen Schmerzes, der sich wesentlich vom Hautschmerz unterscheidet. Weil letzterer historisch die Grundlage für die Schmerzforschung war und viele Kenntnisse wie selbstverständlich auf Muskelschmerzen übertragen werden, beschreibt der Autor gleich zu Beginn die Besonderheiten des Muskelschmerzes. Auch die funktionellen Eigenschaften der Muskulatur sowie Aufbau, Funktion und Innervation der Faszien werden ausführlich dargestellt. Spannend wird es, wenn der Autor die unterschiedlichen schmerzhaften Störungen faszialer Gewebe erklärt und dies auch anhand typischer Schmerzsymptome veranschaulicht. Zur Therapie von verklebten Faszien und Schmerzen der muskulären Hüllen merkt er an, dass diese nicht selektiv nur auf die Faszien wirken und dass Placeboeffekte wahrscheinlich eine große Rolle spielen. Zur Behandlung mit der Faszienrolle zitiert er bekannte Studien, die sich teils positiv, teils kritisch äußern.

Im Kapitel „Schmerzhafte funktionelle Störungen der Muskulatur“ werden nicht nur Prellungen, Zerrungen und Faserrisse besprochen, sondern auch muskuläre Dysbalancen, neurogene, durchblutungsbedingte und sonstige funktionelle Störungen sowie die Myositis. Weitere Kapitel schließlich widmen sich den nicht spezifischen Rückenschmerzen, den myofaszialen Triggerpunkten und dem Fibromyalgiesyndrom.

Alles in allem bietet das Buch von Prof. Mense einen fundierten Überblick über klinisch relevante Schmerzphänomene auf Grundlage ausführlicher anatomischer Beschreibungen. Wer an der Physiologie der Schmerzentstehung und einem Überblick über Schmerzen des Bewegungssystems interessiert ist, ist mit dem Kauf dieses Buches gut beraten. Da der Autor nicht selbst Therapeut ist, mangelt es ihm zwar an der Erfahrung eines Praktikers. Da er aber keiner therapeutischen „Schule“ angehört, ist seine Ausarbeitung frei von Dogmen – ein Faktum, das man nicht unterschätzen sollte.

Johannes Ermel, Karlsbad Spielberg



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Article published online:
14 December 2021

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