neuroreha 2021; 13(03): 108
DOI: 10.1055/a-1531-7983
Gelesen und kommentiert

Überlegenheit aufgabenspezifischen Trainings gegenüber Bobath zur Verbesserung von Aktivitäten der unteren Extremitäten

Contributor(s):
Jan Mehrholz

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effekte des Bobath-Konzepts hinsichtlich Verbesserungen von Aktivitäten der unteren Extremität, Kraft bzw. Koordination im Vergleich zu keiner oder zu anderen Interventionen zu evaluieren.


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Methodik

Design Systematische Übersichtsarbeit. Die systematische Suche in elektronischen Datenbanken (Ovid MEDLINE, EMBASE, CINAHL und PEDro) erfolgte im Januar 2019. Gesucht wurde nach randomisierten und kontrollierten Studien bei Patienten nach Schlaganfall, die nach dem Bobath-Konzept (in den USA auch als „neurodevelopmental treatment“ bezeichnet) durchgeführt wurden. Eingeschlossen wurden Studien, die funktionelle Skalen zu Aktivitäten der unteren Extremitäten verwendeten (wie z. B. Skalen zur Messung der Gehfähigkeit oder der Balance).

Interventionen Mindestens eine Behandlungsgruppe musste das Bobath-Konzept enthalten haben. Die Studien sollten eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Die Intervention basierte auf Bobath oder auf dem „neurodevelopmental treatment“.

  • Die Autoren verwiesen auf ein Bobath-Lehrbuch oder eine Publikation dazu.

  • Die Beschreibung der Intervention suggeriert, dass die Intervention auf der Bobath-Therapie basierte (das heißt, sie zielte ab auf die Normalisierung von Bewegung, Normalisierung des Tonus, Erleichterung normaler Bewegung oder Hemmung der Reflexaktivität).

Bei gemischter Anwendung verschiedener Interventionen musste mindestens die Hälfte eine Bobath-Behandlung sein.

Messungen Primärer Zielparameter war die Aktivität der unteren Extremität, z. B. Gleichgewicht im Stehen oder Sitzen, Aufstehen und Hinsetzen, Gehen, Treppensteigen. Die sekundären Zielparameter waren die Beinkraft und die Koordination.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 22 randomisierte und kontrollierte Studien in die qualitative Bewertung der Übersichtsarbeit und 17 Studien in die quantitative Beurteilung in der Metaanalyse eingeschlossen. Die methodische Qualität der Studien unterschied sich mit Bewertungen auf der PEDro-Skala von 2–8 (auf einer Skala bis 10). Keine Studie verglich die Bobath-Therapie mit keiner Intervention. Die zusammengefassten Daten zeigten, dass aufgabenspezifisches Training einen moderat größeren Nutzen für Beinaktivitäten hatte als die Bobath-Therapie (Effektgröße (ES) = 0,48; 95 %-Konfidenzintervall (KI): 0,01–0,95). Bobath-Therapie verbesserte die Aktivitäten der unteren Extremitäten nicht eindeutig mehr als eine kombinierte Intervention (ES = 20,06; 95 %-KI 20,73–0,61) oder Krafttraining (ES = 0,35, 95 %-KI 20,37–1,08). In einer einzelnen Studie war die Bobath-Therapie effektiver als die propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) zur Verbesserung des Gleichgewichts im Stehen (ES = 21,40, 95 %-KI 21,92–20,88), aber diese Interventionen unterschieden sich nicht bei anderen Zielparametern. Bobath-Therapie verbesserte weder die Kraft noch die Koordination stärker als andere Interventionen.


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Schlussfolgerung

Eine Bobath-Therapie ist dem aufgabenspezifischen Training unterlegen und anderen Interventionen nicht überlegen, mit Ausnahme der propriozeptiven neuromuskulären Fazilitation. Die Bevorzugung der Bobath-Therapie gegenüber anderen Interventionen wird durch die aktuelle Evidenz nicht unterstützt.


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Publication History

Article published online:
13 September 2021

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