Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1517-3507
Die ungeplante außerklinische Geburt: eine exorbitante Belastung für alle Beteiligten
In systematisierter Praxisbezogenheit und kategorischer Zielorientiertheit führt der gebABCDE-Algorithmus den perinatologisch unerfahrenen Geburtshelfer Schritt für Schritt durch die ungeplant außerklinisch drohende bzw. überraschend einsetzende prähospitale Geburt. Unter Beachtung des perinatologisch limitierten Handlungsspielraums stärkt und unterstützt der Behandlungspfad die aktive Entbindungsbetreuung durch den Notarzt vor Ort.
-
In systematisierter Praxisbezogenheit und kategorischer Zielorientiertheit führt der gebABCDE-Algorithmus gerade den perinatologisch unerfahrenen Geburtshelfer zielgerichtet durch die prähospital drohende bzw. überraschend einsetzend unvermeidliche Geburt. Dabei kann der Geburtshilfealgorithmus gebABCDE in seiner Fünfstufigkeit nicht bei affirmativen Handlungsanweisungen stehen bleiben. Ebenso wichtig sind die Benennung klarer Grenzen der außerklinischen Interventionsmöglichkeiten am Einsatzort und die konsequente Fokussierung auf die prähospitalen Herausforderungen.
-
Praktische Umsetzung des gebABCDE-Algorithmus:
-
A – Ruhe bewahren – Ruhe verbreiten
-
B – objektiv bewerten – maßvoll ordnen
-
C – Weniger ist mehr
-
D – Aufmerksamkeit hochhalten
-
E – rasch und zielgerichtet transportieren
-
-
Außerklinische Geburten zeichnen für 0,12% aller Notarzteinsätze verantwortlich.
-
Die Mehrzahl (75%) der geburtshilflichen Notarzteinsätze ist nachts mit einer besonderen Häufung (40%) zwischen 00:00 und 03:00 Uhr zu erwarten.
-
Häufig (35–83%) trifft der Notfallgeburtshelfer allerdings erst nach der Geburt des Kindes am Einsatzort ein [7].
-
Für die meisten Notärzte sind es geburtshilfliche Einsätze, welche nach pädiatrischen Notfällen und Polytraumata mit dem dritthöchsten Angstpotenzial verbunden werden (20% vs. 85% bzw. 23%) [14].
-
Außerklinisch ungeplante Geburten sind mit einer perinatalen Letalität von 5,6% (Deutschland) bzw. 11,5% (USA) belastet [7].
-
Fernmündliche Telemedizinansätze sind gerade für komplexe Erstentscheidungs- und Betreuungsszenarien geburtshilflicher Notfälle eine zukunftsweisende Option. Stringente Kommunikationswege ermöglichen es dem situativ agierenden Notarzt nicht nur, fachliche Beratung einzuholen, sondern auch, logistische Strategieerwägungen frühzeitig in sein Notfallmanagement zu implementieren [1].
-
Im Rahmen der Dokumentation des Notfallgeburtsverlaufs ist die Niederlegung des exakten Geburtszeitpunkts des Neugeborenen (Datum, Uhrzeit) nicht zu vergessen.
-
Die Prozess- und Versorgungsqualität des geburtshilflichen Notfalls wird nachhaltig von regelmäßiger, spezifischer Schulung des Rettungsdienstpersonals mitbestimmt.
Schlüsselwörter
Außerklinische Geburtshilfe - Wehentätigkeit - Schwangerschaft - gebABCDE-Algorithmus - EntbindungPublication History
Article published online:
09 September 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Strauss A, Sanders L, Ohnesorge H. et al. Geburtshilfliche Notfälle III – Präklinische Geburtshilfe. Notarzt 2013; 29: 115-126
- 2 Strauss A. Hilfe, eine Schwangere – kommen Kinder von alleine? Der peripartale Notfall. Journal für Anästhesiologie und Intensivbehandlung 2012; 1: 190-194
- 3 Strauss A, Weigel MT, Bauer M. et al. Perinatologische Notfallsituationen außerhalb einer geburtshilflichen Einheit. Gyne 2010; 12: 15-19
- 4 Fleischmann T. Klinische Notfallmedizin. München, Jena: Elsevier, Urban & Fischer; 2011
- 5 Strauss A, Gräsner JT. gebABCDE: der Geburtshilfe-Algorithmus für den außerklinischen Notfallgeburtshelfer – Serie Geburtshilfliche Notfälle, Teil 3. Z Geburtsh Neonatol 2019; 223: 202-212
- 6 Bundesärztekammer. Indikationskatalog für den Notarzteinsatz. Berlin: Bundesärztekammer; 2013 Accessed July 22, 2022 at: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/NAIK-Indikationskatalog_fuer_den_Notarzteinsatz_22022013.pdf
- 7 Bernhard M, Freerksen N, Hainer C. et al. Prähospitale geburtshilfliche Notfälle in einem bodengebundenen städtischen Notarztsystem. Retrospektive Analyse eines 5-jährigen Zeitraums. Anästhesist 2009; 58: 353-361
- 8 Moscovitz HC, Magriples U, Keissling M. et al. Care and outcome of out-of-hospital deliveries. Acad Emerg Med 2000; 7: 757-761
- 9 Helmer H, Leon J. Definitionen in der Geburtshilfe: Geburtsbeginn. Speculum 2006; 24: 6
- 10 Strauss A, Alkatout I, Meinhold-Heerlein I. et al. Notfallsituationen während der Schwangerschaft. Notfallmedizin up2date 2012; 7: 73-89
- 11 Strauss A. Protrahierter Geburtsverlauf und Geburtsstillstand. In: Rath W, Strauss A. Komplikationen in der Geburtshilfe. Heidelberg: Springer Nature; 2017: 331-344
- 12 Kainer F, Schiessl B, Kästner R. Geburtshilfliche Notfälle. Geburtshilfe Frauenheilkd 2003; 28: R161-R184
- 13 Strauss A, Zabel F. Notfälle während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. In: Domschke W, Berger M, Hohenberger W, Meinertz T, Possinger K. Therapiehandbuch. 5. München: Elsevier, Urban & Fischer; 2011
- 14 Zink W, Bernhard M, Keul W. et al. Invasive Techniken in der Notfallmedizin. I. Praxisorientierte Ausbildungskonzepte für die Sicherung der notärztlichen Qualifikation. Anästhesist 2004; 53: 1086-1092
- 15 AWMF. Medikamentöse Wehenhemmung bei drohender Frühgeburt. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S1-Leitlinie AWMF Nr. 015/025. 2010 Accessed July 22, 2022 at: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015–025l_S2k_Praevention-Therapie_Fruehgeburt_2020–02.pdf
- 16 Pecks U, Hütten M, Hamza A. Leitung der Frühgeburt. Gynäkologe 2018; 51: 329-342
- 17 Rath W, Gembruch U, Schmidt S. Geburtshilfe und Perinatalmedizin. 2. Stuttgart: Thieme; 2010
- 18 Gawade PL, Whitcomb BW, Chasan-Taber L. et al. Second stage of labor and intraventricular hemorrhage in early preterm infants in the vertex presentation. J Matern Fet Neonat Med 2013; 26: 1292-1298
- 19 Fogarty M, Osborn DA, Askie L. et al. Delayed vs early umbilical cord clamping for preterm infants: a systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol 2018; 218: 1-18
- 20 Tarnow-Mordi WO, Morris J, Kirby A. et al. Delayed versus immediate cord clamping in preterm infants: more evidence is needed. N Engl J Med 2017; 377: 2445-2455
- 21 Wyllie J, Bruinenberg J, Roehr CC. et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 7. Resuscitation and support of transition of babies at birth. Resuscitation 2015; 95: 249-263
- 22 AWMF. Anwendung von Prostaglandinen in der Geburtshilfe. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S1-Leitlinie AWMF Nr. 015/031 zzt. in Überprüfung. 2008 Accessed July 22, 2022 at: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015–031_S1_Anwendung_von_Prostaglandinen_in_Geburtshilfe_und_Gynaekologie_abgelaufen.pdf
- 23 Apgar V. A proposal for a new method of evaluation of the newborn infant. Anesth Analg Curr Res 1953; 32: 260-267