Notfallmedizin up2date 2022; 17(03): 331-348
DOI: 10.1055/a-1517-3507
Spezielle Notfälle

Die ungeplante außerklinische Geburt: eine exorbitante Belastung für alle Beteiligten

Alexander Strauss

In systematisierter Praxisbezogenheit und kategorischer Zielorientiertheit führt der gebABCDE-Algorithmus den perinatologisch unerfahrenen Geburtshelfer Schritt für Schritt durch die ungeplant außerklinisch drohende bzw. überraschend einsetzende prähospitale Geburt. Unter Beachtung des perinatologisch limitierten Handlungsspielraums stärkt und unterstützt der Behandlungspfad die aktive Entbindungsbetreuung durch den Notarzt vor Ort.

Kernaussagen
  • In systematisierter Praxisbezogenheit und kategorischer Zielorientiertheit führt der gebABCDE-Algorithmus gerade den perinatologisch unerfahrenen Geburtshelfer zielgerichtet durch die prähospital drohende bzw. überraschend einsetzend unvermeidliche Geburt. Dabei kann der Geburtshilfealgorithmus gebABCDE in seiner Fünfstufigkeit nicht bei affirmativen Handlungsanweisungen stehen bleiben. Ebenso wichtig sind die Benennung klarer Grenzen der außerklinischen Interventionsmöglichkeiten am Einsatzort und die konsequente Fokussierung auf die prähospitalen Herausforderungen.

  • Praktische Umsetzung des gebABCDE-Algorithmus:

    • A – Ruhe bewahren – Ruhe verbreiten

    • B – objektiv bewerten – maßvoll ordnen

    • C – Weniger ist mehr

    • D – Aufmerksamkeit hochhalten

    • E – rasch und zielgerichtet transportieren

  • Außerklinische Geburten zeichnen für 0,12% aller Notarzteinsätze verantwortlich.

  • Die Mehrzahl (75%) der geburtshilflichen Notarzteinsätze ist nachts mit einer besonderen Häufung (40%) zwischen 00:00 und 03:00 Uhr zu erwarten.

  • Häufig (35–83%) trifft der Notfallgeburtshelfer allerdings erst nach der Geburt des Kindes am Einsatzort ein [7].

  • Für die meisten Notärzte sind es geburtshilfliche Einsätze, welche nach pädiatrischen Notfällen und Polytraumata mit dem dritthöchsten Angstpotenzial verbunden werden (20% vs. 85% bzw. 23%) [14].

  • Außerklinisch ungeplante Geburten sind mit einer perinatalen Letalität von 5,6% (Deutschland) bzw. 11,5% (USA) belastet [7].

  • Fernmündliche Telemedizinansätze sind gerade für komplexe Erstentscheidungs- und Betreuungsszenarien geburtshilflicher Notfälle eine zukunftsweisende Option. Stringente Kommunikationswege ermöglichen es dem situativ agierenden Notarzt nicht nur, fachliche Beratung einzuholen, sondern auch, logistische Strategieerwägungen frühzeitig in sein Notfallmanagement zu implementieren [1].

  • Im Rahmen der Dokumentation des Notfallgeburtsverlaufs ist die Niederlegung des exakten Geburtszeitpunkts des Neugeborenen (Datum, Uhrzeit) nicht zu vergessen.

  • Die Prozess- und Versorgungsqualität des geburtshilflichen Notfalls wird nachhaltig von regelmäßiger, spezifischer Schulung des Rettungsdienstpersonals mitbestimmt.



Publication History

Article published online:
09 September 2022

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