Aktuelle Ernährungsmedizin 2021; 46(04): 246-254
DOI: 10.1055/a-1470-0793
Übersicht

Prävention nicht übertragbarer chronischer Erkrankungen durch „gesunde“ Ernährung

Diet and Nutrition in the Prevention of Non-Communicable Diseases (NCD)
Anja Bosy-Westphal
Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
,
Manfred J. Müller
Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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Zusammenfassung

Übergewicht betrifft mehr als 50 % der Erwachsenen in Deutschland, 20 Millionen Menschen sind adipös, zwischen 10 und 30 % haben Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese nicht übertragbaren Krankheiten („non-communicable diseases“, NCD) sind hochanteilig durch eine der Gesundheit abträgliche Ernährung verursacht und unnötig. Da die Produktion von Lebensmitteln und auch deren Konsum eng mit den aktuellen Problemen von Umwelt, Klima und ungebremstem ökonomischem Wachstum verknüpft sind, können nachhaltig wirksame Maßnahmen der Prävention von NCD nur in größeren Kontexten realisiert werden. Aus dieser Sicht ist es an uns Ärzten, sowohl die Patienten ernährungsmedizinisch angemessen zu behandeln als auch den notwendigen gesellschaftlichen Wandel zum Erhalt der Gesundheit von Mensch und Umwelt mitzugestalten.

Abstract

Today, more than 50 % of adults in Germany are overweight, 20 million people are obese and 10 to 30 % suffer from non-communicable diseases (NCD). Unhealthy dietary patterns contribute to NCD, thus, NCD are at least partly avoidable. During the last decades nutrition research has changed from nutrients to foods identifying healthy food patterns characterizing healthy diets, e. g., Mediterranean diet, DASH diet and/or the New Nordic Diet. Scientifically, these diets have been shown to be effective strategies of primary and secondary prevention of NCD. Based on this evidence prevention of NCD is now urgently needed at the population level. However, effective public health strategies of prevention and health promotion go beyond daily medical practice and require re-thinking of our food system within a greater context of our environment and climate. To become sustainable, strategies and measures of behavior prevention addressing individuals have to be extended to measures against the obesogenic environment and its systemic drivers within our food system. Thus, social and political changes are needed for a better future health of the nation. Physicians may take the leadership to be prepared to add to a whole of society approach of prevention and health promotion.

Kernaussagen
  • Nicht übertragbare chronische Erkrankungen sind hoch-anteilig durch Lebensstile und so auch die Ernährung bzw. Lebensmittelauswahl der Menschen mitbedingt.

  • Eine primäre und sekundäre Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten ist durch „gesunde“ Ernährungsmuster möglich. Beispiele dafür sind die mediterrane Ernährung, die DASH-Diet und die New Nordic Diet.

  • Der präventive Wert der Ernährung resultiert nicht aus den Mengen einzelner Nährstoffe und Lebensmittel, sondern wird durch die Vielfalt der verzehrten Lebensmittel unter Berücksichtigung sowohl des individuellen Kalorien- und Nährstoffbedarfs erklärt.

  • Der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel steigert den Appetit, hat positive Wirkungen auf Belohnungssysteme im Gehirn und begünstigt eine positive Energiebilanz, Übergewicht sowie die Einlagerung „ektoper“ Fette in Leber, Pankreas und Muskel mit der Folge von Stoffwechselstörungen und -krankheiten. Die „Ernährungsqualität“ bestimmt so auch die „Ernährungsquantität“.

  • Spezielle Diäten (wie z. B. eine ketogene Diät) unterliegen speziellen Indikationen. Das Konzept einer „personalisierten“ Ernährung bietet heute einen Rahmen für zukünftige Ernährungs- und Gesundheitsforschung, es erlaubt noch keine praktische Anwendung.

  • Angesichts der Erfahrungen von „tobacco control“ überrascht es nicht, dass Informationen, Regularien oder auch fiskalische Maßnahmen wenig zur ernährungsmedizinischen Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten beitragen können. Nachhaltig wirksame Strategien erfordern auch von uns Ärzten ein Denken und Handeln in größeren Kontexten von Gesellschaft, Politik, Ökonomie, Umwelt und Klima: Die Gesundheit des Einzelnen ist nicht ohne die Gesundheit seiner Mitmenschen sowie von Tieren, Umwelt und Klima denkbar (= „One-Health-Ansatz“).



Publication History

Article published online:
18 August 2021

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