Der Nuklearmediziner 2021; 44(02): 100-101
DOI: 10.1055/a-1463-6602
Editorial

Aktuelle Entwicklungen aus den Radiopharmazeutischen Wissenschaften für theranostische Anwendungen

Recent Developments from Radiopharmaceutical Sciences for Theranostic Applications
Constantin Mamat
Institut für Radipharmazeutische Krebsforschung, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
,
Klaus Kopka
Institut für Radipharmazeutische Krebsforschung, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die klinische Bereitstellung von Radiopharmaka für diagnostische und therapeutische Zwecke ist eine der zentralen Aufgaben der konventionellen Radiopharmazie, denn sie ist das Herzstück einer jeden modernen Nuklearmedizin. Neben einem großen, aber planbaren, logistischen Aufwand ist die Versorgung mit Radiopharmaka sowohl mit radiochemischen als auch regulatorischen Herausforderungen verbunden. Das betrifft beispielsweise die zuverlässige Verfügbarkeit einzelner Radionuklide aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und die Erfüllung obligatorischer Qualitätskontrollen.

Daneben widmen sich die Radiopharmazeutischen Wissenschaften ihrem Forschungsauftrag, der in der Erforschung neuer Radionuklide, der Entwicklung und der (prä-)klinischen Testung neuer Radiopharmaka für Diagnose und Therapie und der Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren SPECT und PET sowie der hybriden Kombinationen mit MRT und CT, besteht. In diesem Sinne ist diese Ausgabe des Nuklearmediziners ganz den neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Radiopharmazie gewidmet, welche sich mittlerweile über klassische Ansätze hin zu theranostischen Anwendungen in Form von diagnose-geleiteten Therapien entfaltet.

Neben den Perspektiven und Methoden der Experimentellen Nuklearmedizin, die Inhalt unseres zweiten Beitrags sind, beschäftigen wir uns in unserer Ausgabe mit den Möglichkeiten der Erzeugung von Radionukliden und deren praktischen Aspekten bei der Übertragung auf kleine Zyklotrone, die über die Routineproduktion von Fluor-18 und Kohlenstoff-11 hinausgehen. Ein weiterer Beitrag führt uns zu exotischen Radionukliden des Elementes Barium, die in den 1950er bis 1970er Jahren intensiv beforscht wurden, allerdings fast ausschließlich, um den Knochenmetabolismus zu verstehen und Erkrankungen des Skeletts palliativ zu behandeln. Insbesondere das Barium-131 erlebt eine Renaissance, denn es lässt sich am Zyklotron herstellen und wird aktuell als SPECT-diagnostisches Pendant zu den Therapienukliden Radium-223/-224 diskutiert. Erste Kleintierstudien zeigen das Potenzial für eine erfolgreiche SPECT-Bildgebung.

Eine hohe Bedeutung kommt der Erforschung biologischer Targets zu, um neue Radiopharmaka für personalisierte Therapieansätze zu entwickeln. Zwei Rezeptorklassen, die Integrine und die Chemokinrezeptoren, werden in dieser Ausgabe vorgestellt, die eine wichtige Rolle bei onkologischen Fragestellungen spielen.

Integrine verbinden Zellen mit anderen Zellen und mit der extrazellulären Matrix und sind bedeutsam für die Signalübermittlung zwischen Zellen und deren Umgebung. Sie gehören zur Gruppe der Adhäsionsmoleküle und sind Rezeptoren für extrazelluläre Proteine. Selektive Radiopharmaka sind für die Visualisierung der 24 Integrine verfügbar.

Weiterhin wird die Rolle des CXC-Motiv-Chemokinrezeptors 4 und die Entwicklung CXCR4-gerichteter Radiopharmaka für die Detektion und Behandlung von Tumoren diskutiert. Das Verständnis um Prozesse der dynamischen Zelloberflächenexpression, sowie die Suche nach selektiven Radiopharmaka zur Unterscheidung physiologischer von pathogenen Hochregulationen dieses Rezeptors werden in einem weiteren Übersichtsartikel thematisiert.

In einer präklinischen Studie wird 68Ga-NeoB als hoch affiner, antagonistischer Tracer zur Bildgebung des Gastrin-Releasing-Peptid-Rezeptors (GRPR) vorgestellt. Ziel war es, die Verwendung dieses Radiotracers zur Bestimmung der GRPR-Expression im Pankreasgewebe weiter zu erforschen. Darüber hinaus wurde 68Ga-NeoB als Tracer für die Bildgebung gastrointestinaler Strumatumoren in zwei verschiedenen Mausstämmen untersucht. Die Ermittlung von Organanreicherungen und des Sättigungsgrades des Radiotracers gelang durch eine kombinierte PET/CT-Studie.

Der CME-Beitrag dieser Ausgabe bringt Licht in die arzneimittelrechtliche Regulierung von Theranostika. Regulatorische Aspekte, die in der Hauptsache die Sicherheit der Patienten im Fokus haben sowie die Wirksamkeit der Theranostika wiederspiegeln, werden hier aufgegriffen.

Eine Auswahl aus den vielfältigen Ansätzen und Möglichkeiten, die die experimentelle, radiopharmazeutische Forschung bietet, haben wir in dieser Ausgabe zusammengestellt, um die vielfältigen Entwicklungen der radiopharmazeutischen Chemie auf dem Weg zu theranostischen Ansätzen zu beleuchten. Wir hoffen, dass wir Sie ein Stück mitnehmen und Ihnen einen interessanten Ausschnitt aus unserer aktuellen Forschungslandschaft präsentieren konnten, der für Sie nützliche und praxisrelevante Aspekte beinhaltet.

Wir wünschen Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre dieser Spezialausgabe des Nuklearmediziners.

Constantin Mamat & Klaus Kopka



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Article published online:
10 June 2021

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