Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(02): 104
DOI: 10.1055/a-1441-2396
Nachruf

In memoriam Gerhard Ortmeyer

Die Bewerbung von Gerhard Ortmeyer auf eine Oberarztstelle in der neu zu etablierenden Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) traf bei mir, damals noch als Oberarzt an der Abteilung für Pränatalmedizin bei Prof. Hackelöer im AK Barmbek tätig, im Oktober 2003 ein. Das Schreiben war kurz und beeindruckte mich durch seine Authentizität. Er schilderte seine bisherigen geburtshilflichen Tätigkeiten, zuerst im Klinikum Mariahilf in Harburg und dann als damaliger Oberarzt in Pinneberg. Er schrieb von anhaltender Freude in der Geburtshilfe“, dass er sich „einen gewissen Ruf durch die Leitung von vaginalen Geburten aus Beckenendlage erworben“ hätte und dass es sein Wunsch sei, „vor allem im Kreißsaal zu arbeiten“. Darin bestätigt fühlte er sich durch die „vorbehaltlose Akzeptanz [...] durch Hebammen und Kollegen und nicht zuletzt durch die Gebärenden“. Als wir uns dann zum ersten persönlichen Gespräch trafen, hatte ich gleich das Gefühl, dass ich in ihm genau den Richtigen gefunden hatte, um gemeinsam am UKE die Geburtshilfe wiederaufzubauen. Es war Sympathie auf den ersten Blick, und gegenseitiges Vertrauen und Verständnis hat uns auch auf unserem weiteren gemeinsamen Weg stets begleitet.

Gerd war mit ganzem Herzen Geburtshelfer und die Arbeit im Kreißsaal machte ihm die größte Freude. Sein Werdegang war kein universitärer und doch war er in der Universitätsklinik bestens aufgehoben und integriert, ja viel mehr noch, ohne ihn wäre die Geburtshilfe des UKE nicht zu dem geworden, was sie heute ist. Im Besonderen lagen ihm Risikogeburten am Herzen, wie z. B. vaginale Entbindungen aus Beckenendlage und von Zwillingen, wofür er auch den oft nächtlichen Einsatz nicht scheute. In Zeiten der weltweit steigenden Zahlen von Kaiserschnitten war es ihm immer ein großes Anliegen, die Möglichkeit der vaginalen Entbindung gegenüber der Notwendigkeit einer Sectio in jeder Risikosituation abzuwägen. Dabei ging es ihm nicht in erster Linie darum, die Sectiorate niedrig zu halten, sondern um eine Abschätzung der individuellen geburtshilflichen Situation unter Beachtung der Wünsche der Gebärenden und im Bestreben, ihnen stets Geborgenheit zu vermitteln und größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Auch für die Vermeidung primärer Kaiserschnitte bei Beckenendlagen durch eine äußere Wendung hat Gerd sich weit über die Grenzen Hamburgs hinaus einen Namen gemacht und darüber auf zahlreichen geburtshilflichen und perinatologischen Kongressen vorgetragen. In all diesen Situationen leitete ihn seine große Erfahrung und sein außerordentliches geburtshilfliches Können. Eine Unzahl glücklicher junger Familien sind ihm dafür dankbar, wie auch eine große Schar junger Ärzte und Hebammen, denen er diesen Erfahrungsschatz weitergegeben hat.

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Gerd war ein außergewöhnlicher Mensch. Sein Lächeln konnte alle gewinnen, und war er ganz selten einmal schlechter Laune, verflog diese wieder schnell. Zwischen uns entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft. Er hatte eine große Familie, die ihm sehr wichtig war. Auch wenn er für alle, die ihn liebten und schätzten, im Alter von 57 Jahren viel zu früh gegangen ist, hatte er doch ein überaus erfülltes Leben und ein Aufgeben kam ihm auch nach der schwerwiegenden Diagnose seiner Erkrankung nicht in den Sinn. Im Gegenteil, er hat seinen hintergründigen Humor bis zuletzt nicht verloren und weiterhin zusammen mit seiner Frau Paula Pläne für die Zukunft geschmiedet. Der wunderbarste wurde noch wahr: Zwölf Tage vor seinem Tod konnte Gerd noch der Geburt seiner Tochter Jule Marleen beiwohnen. Wer könnte es schöner sagen als Paula selbst: „Die Begrüßung unserer Tochter war Gerds letzte große Aufgabe, als Vater, als Partner und als Geburtshelfer“.

Prof. Dr. Kurt Hecher,
Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf



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Article published online:
19 April 2021

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