PSYCH up2date 2022; 16(05): 421-436
DOI: 10.1055/a-1428-4145
Angststörungen, Zwangsstörungen und stressassoziierte Störungen

Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung: Diagnostik und Therapie

Ingo Schäfer

Schwere und wiederholte Traumatisierungen können zu Beschwerden führen, die über die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) hinausgehen. Um sie angemessen zu beschreiben, wurde in die letzte Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) aufgenommen. Der Beitrag gibt einen Überblick über diese neue Diagnose und Möglichkeiten der Behandlung.

Kernaussagen
  • Um klinische Syndrome nach extrem belastenden Erlebnissen besser abzubilden, wurde in ICD-11 neben der klassischen PTBS die Diagnose der Komplexen PTBS aufgenommen.

  • Typische Beispiele für solche Erlebnisse sind sexuelle und körperliche Gewalt in der Kindheit, langanhaltende (Beziehungs-)Gewalt im Erwachsenenalter, Kriegserlebnisse und Folter.

  • Für die Diagnose einer Komplexen PTBS muss dieselbe Symptomatik vorliegen, wie sie für die klassische PTBS definiert ist. Zusätzlich müssen sog. Störungen der Selbstorganisation vorliegen (Störungen der Emotionsregulation, Annahmen von sich selbst als minderwertig, unterlegen oder wertlos und Schwierigkeiten, Beziehungen aufrecht zu erhalten oder sich anderen nahe zu fühlen).

  • Differenzialdiagnostisch ist insbesondere die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) von Bedeutung. Hilfreich ist die Abgrenzung spezifischer Symptome der gestörten Selbstorganisation bei der KPTBS (z.B. in Bezug auf das Selbstkonzept und die Art der Beziehungsprobleme) von Symptomen der BPS. Dabei liegen kontinuierliche Übergänge zwischen den Syndromen nahe.

  • Die psychotherapeutische Behandlung der KTPBS sollte mit einer Kombination von traumafokussierten Interventionen, Techniken zur Emotionsregulation und Strategien zur Bearbeitung dysfunktionaler zwischenmenschlicher Muster erfolgen.

  • Phasenbasierte Ansätze, mit flexiblem Einsatz der jeweiligen Elemente, könnten besonders positive Effekte zeigen.



Publication History

Article published online:
09 September 2022

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