PSYCH up2date 2023; 17(01): 13-28
DOI: 10.1055/a-1400-8393
Organische psychische Störungen

Psychiatrische Autoimmunenzephalitis – Diagnose und therapeutische Ansätze

Niels Hansen
,
Daniel Lüdecke
,
Hannah B. Maier
,
Johann Steiner
,
Alexandra N. Neyazi

Eine Autoimmunenzephalitis ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die neben neurologischen Symptomen häufig und teils sogar vorwiegend durch psychiatrische Symptome gekennzeichnet sein kann. Bei überwiegend psychiatrischer Manifestation wird sie als „psychiatrische Autoimmunenzephalitis“ bezeichnet. Die Übersicht zeigt den aktuellen Stand zur Pathogenese und Diagnostik sowie verschiedene Therapiemöglichkeiten der Immuntherapie als auch der Psychopharmakologie.

Kernaussagen
  • Eine psychiatrische Präsentation einer Autoimmunenzephalitis ist häufig und insbesondere im Anfangsstadium einer NMDAR-Enzephalitis möglich.

  • Die Immunpathogenese der psychiatrischen Autoimmunenzephalitis ist nur teilweise verstanden. Es werden 2 Konzepte unterschieden: Im Zusammenhang mit Membranoberflächenantigenen spielen wahrscheinlich Autoantikörper die entscheidende Rolle in der Pathogenese, während bei der Immunenzephalitis mit Antikörpern gegen intrazelluläre Antigene T-Zell-vermittelte Mechanismen als pathogen betrachtet werden.

  • Die Diagnostik einer psychiatrischen Autoimmunenzephalitis umfasst eine ausführliche apparative Diagnostik mittels MRT, EEG, Liquoranalyse und ggf. FDG-PET.

  • Die psychiatrische Symptomatik ist vorwiegend durch demenzielle und paranoid-halluzinatorische Syndrome, weniger durch depressive Syndrome gekennzeichnet.

  • Die Differenzialdiagnostik beinhaltet neurologische Erkrankungen wie andere Entzündungen, metabolische, toxische, tumoröse und neurodegenerative Erkrankungen, aber auch nicht organisch bedingte primär psychiatrische Störungen wie Angst-, stressbezogene, affektive, psychotische oder andere demenzielle Erkrankungen.

  • Als Immuntherapien für eine psychiatrische Präsentation einer Autoimmunenzephalitis werden Steroide, IVIGs oder Plasmapherese als Therapie der 1. Wahl empfohlen; der 2. Wahl Rituximab oder steroidsparende Substanzen (Azathioprin, Methotrexat).

  • Bei fehlendem Ansprechen sind monoklonale Antikörper (Bortezomib, Tocilizumab, Ocrelizumab, Daratumumab, Tofacitinib) als individueller Heilversuch möglich.

  • Je nach psychiatrischer Hauptsymptomatik können zusätzlich Psychopharmaka wie Antipsychotika, Antidepressiva, Anxiolytika und Phasenprophylaktika eingesetzt werden, auch wenn die Evidenz für deren Wirksamkeit bei der Autoimmunenzephalitis bislang sehr begrenzt ist.



Publication History

Article published online:
11 January 2023

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