CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(11): 1238-1246
DOI: 10.1055/a-1397-6888
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit

Erhebung perinataler Daten von geflüchteten Frauen von der Frauenklinik der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Vergleich zur bundesdeutschen Auswertung

Article in several languages: English | deutsch
Ola Ammoura
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Berlin, Germany
,
Jalid Sehouli
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Berlin, Germany
,
Christine Kurmeyer
3   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, Berlin, Germany
,
Rolf Richter
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Berlin, Germany
,
Nadja Kutschke
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Berlin, Germany
,
Wolfgang Henrich
2   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
,
Melisa Guelhan Inci
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Berlin, Germany
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Einleitung Ziel dieser Arbeit war die Erhebung perinataler Daten von geflüchteten Frauen an der Berliner Charité und die Evaluation von möglichen Unterschieden bezüglich prä-, peri, und postnataler Ausgänge im Vergleich zu den einheimischen Frauen.

Material und Methodik Alle Schwangeren, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. September 2017 geboren haben und mindestens einmal im Klinikum als „Flüchtling“ registriert worden sind, wurden in die Auswertung eingeschlossen. Die erhobenen Daten der geflüchteten Frauen wurden verglichen mit den Perinataldaten der Bundesauswertung der Geburtshilfe aus dem Jahr 2016, die durch die IQTIG (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen) veröffentlicht wurde.

Ergebnisse Die Auswertung erfolgte mit 907 geflüchteten Frauen und 928 Neugeborenen (21 Zwillingsschwangerschaften). Geflüchtete Schwangere waren signifikant jünger als die Schwangeren aus der Bundesauswertung (Geburt vor dem 30. Lebensjahr: 66 vs. 41%, p < 0,001, RR: 1,6, 95%-KI: 62,9 – 69,2). Sie hatten sowohl mehr Schwangerschaften (≥ 3 Schwangerschaften: 29,4 vs. 13,4%, p < 0,001, RR: 2,2, 95%-KI: 26,4 – 32,5) als auch mehr Aborte in der Anamnese (> 2 Aborte: 9,7 vs. 5,9%, p < 0,001, RR: 1,6, 95%-KI: 7,9 – 11,8) und litten anamnestisch häufiger unter psychischer Belastung (11,1 vs. 4,1%, p < 0,001, RR: 2,70, 95%-KI: 9,2 – 13,4). Es zeigten sich mehr Frühgeburten (10,3 vs. 3,0%, p < 0,001, RR: 3,36, 95%-KI: 8,4 – 12,4), Terminüberschreitungen (8,5 vs. 0,5%, p < 0,001, RR: 15,4, 95%-KI: 6,7 – 10,5), postpartale Anämien (28,7 vs. 22,0%, p < 0,001, RR: 1,30, 95%-KI: 25,7 – 31,7) sowie eine Endometritis puerperalis (1 vs. 0,2%, p = 0,006, RR: 4,3, 95%-KI: 0,5 – 1,9) im Vergleich zur Bundesauswertung. Das neonatale Outcome zeigte eine erhöhte Rate von Hypotrophien (11 vs. 7%, p < 0,001, RR: 1,6, 95%-KI: 9,1 – 13,2), mehr Totgeburten (0,7 vs. 0,2%, p = 0,006, RR: 3, 95%-KI: 0,2 – 1,4) und vermehrte kongenitale Fehlbildungen (2,8 vs. 0,4%, p < 0,001, RR: 3, 95%-KI: 0,2 – 1,4).

Schlussfolgerung Sowohl geflüchtete Frauen als auch ihre Neugeborenen wiesen signifikante Unterschiede auf. Trotz des durchschnittlich jüngeren Alters der geflüchteten Gebärenden waren die Raten der Früh- und Totgeburten und die angeborenen Fehlbildungen signifikant häufiger. Eine intensivere Schwangerenvorsorge mit differenzierter Organdiagnostik des Feten inklusiver psychosomatischer Betreuung könnten zur Früherkennung und frühzeitige Diagnosestellung dienen. Hinsichtlich der postpartalen Anämie und der Endometritis puerperalis, die häufiger bei geflüchteten Frauen auftreten, könnte der Hebammeneinsatz sowie die Verbesserung der Wohnsituationen in Heimen und Unterkünften von großer Bedeutung sein.



Publication History

Received: 20 November 2020

Accepted after revision: 19 February 2021

Article published online:
21 July 2021

© 2021. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany