Hamostaseologie 2021; 41(04): 323-324
DOI: 10.1055/a-1370-0053
Mitteilungen des Vorstandes des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH)

Im letzten Augenblick verhindert: Geplante Übertragung der Richtlinienbefugnis bezüglich Herstellung und Anwendung von Blut und Blutprodukten von der Bundesärztekammer (BÄK) auf das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Robert-Koch-Institut (RKI)

Jürgen Koscielny
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Germany
,
Christoph Sucker
2   COAGUMED Gerinnungszentrum Berlin, Germany
3   Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Germany
› Institutsangaben

Am 14.05.2021 („Brückentag“) erhielt die Bundesärztekammer (BÄK) die Information, dass in extremer Eile als „Omnibus-Gesetz“, angehängt an ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf eines 2. Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze (BT-Drs. 19/29287), sehr kurzfristig ein Änderungsantrag u. a. zur Änderung des Transfusionsgesetzes (TFG) (Ausschuss-Drs. 19(14)339.1) eingebracht werden soll. Die Verlagerung der Richtlinienkompetenz der BÄK auf die Bundesoberbehörden, Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Robert Koch-Institut (RKI), sollte erfolgen.

Am 17.05.2021 fand dann bereits die 1. Anhörung in dieser Sache statt. Aufgerufen wurden die maßgeblichen ärztlichen Verbände und wissenschaftlichen Fachgesellschaften (u.a. GTH, BDDH, DGTI, DHGO) und auch Patientenverbände (u.a. DHG, IGH). Doch sämtliche Verbände waren erst gar nicht eingeladen worden! Einzig die DGTI, die in Eigeninitiative diesen Termin herausgefunden hatte, konnte hierzu Stellung nehmen.

Anlass dieser Verordnung schien offensichtlich u.a. eine aktuelle Überarbeitung von Zulassungskriterien zur Blutspende bei sexuellem Risikoverhalten, welche im Rahmen der Richtlinienkompetenz durch die BÄK koordiniert/verantwortet, die in der nächsten Woche abgeschlossen werden soll. Eine Umsetzung der Stellungnahme in eine Richtlinie wäre aber erst Ende des Jahres und damit nach der Wahl möglich gewesen. Begründet wurde das Vorgehen damit, dass das bisherige Verfahren zur Feststellung des Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu langwierig sei. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass wesentliche Vorgaben zur Erstellung und Bearbeitung von Richtlinien geregelt sind. Als Konsequenz der „HIV-Katastrophe“ der 1980er Jahre war und ist Ziel des Transfusionsgesetzes (TFG), eine Balance zwischen den behördlichen Aufgaben der Arzneimittelzulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der Krankheitsüberwachung und -prävention durch das Robert Koch-Institut (RKI), den Überwachungsaufgaben der Bundesländer und der ärztlichen Berufsausübung gemäß dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik zu schaffen. Dieser Prozess hat seit 30 Jahren höchste Standards in der Sicherheit und Qualität unserer Blutprodukte gewährleistet. Eine Annahme dieses Antrages hätte eine grundlegende und weit reichende Entscheidung bedeutet, welche die differenzierte Aufgaben- und Verantwortungszuweisung des Transfusionsgesetzes (TFG) ohne Grund zerstört hätte. Die Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie), Gesamtnovelle 2017 und auch die Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (Gesamtnovelle 2020) wären zukünftig vom PEI und RKI erstellt worden. Behörden hätten somit die ärztliche Richtlinienkompetenz übernommen und ärztliche Richtlinien verfasst. Dies hätte eine Signalwirkung für zukünftige Änderungsprozesse im Gesundheitssystem zur Folge gehabt, da dann entsprechende Entscheidungen an der Ärzteschaft vorbei hätten getroffen werden können.

Letztlich hat das massive Einschreiten der Bundesärztekammer (BÄK) allerdings dazu geführt, dass dieser Antrag aus der Vorlage in diesem Omnibus-Gesetz im letzten Augenblick vollständig entfernt wurde.

Dieser Vorgang ist einmalig und steht für sich. Ein solches Vorgehen seitens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), vertreten durch Herrn Bundesminister Spahn, verletzt demokratische Grundprinzipien. Dies offenbart erneut ein grundsätzliches Misstrauen von Seiten der regierenden Politik in ärztliches Handeln. Ein vertrauensvoller Umgang sieht anders aus. Hier ist auch zukünftig Wachsamkeit der Bundesärztekammer (BÄK), der Fachgesellschaften und Berufsverbände geboten, um dafür Sorge zu tragen, dass adäquates ärztliches Handeln durch ärztliche Sachverständige definiert und nicht durch die Politik vorgegeben wird.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. August 2021

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