Pneumologie 2021; 75(01): 67-68
DOI: 10.1055/a-1306-4637
Nachruf

Bernhard Wiesner – ein Nachruf

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Priv.-Doz. Dr. Bernhard Wiesner, Foto: privat.

Bernhard Wiesner, Ehrenmitglied der DGP, ist tot. Er starb nach kurzem Krankenlager am 4. November d. J. im Alter von 88 Jahren. Mit Bernhard Wiesner ist einer der letzten Vertreter einer Generation von Ärzten gestorben, die noch im Zeichen des Kampfes gegen die Tuberkulose angetreten waren und später den Übergang in die Pneumologie, wie wir sie heute kennen, gestalteten. In seinem lesenswerten Beitrag „Tuberkulosebekämpfung und Entwicklung der Pneumologie in der DDR (1949–1990) im Buch „100 Jahre DGP – 100 Jahre deutsche Pneumologie“ hat er diese Entwicklung für die DDR detailliert beschrieben.

Bernhard Wiesners eigener beruflicher Werdegang begann nach dem Medizinstudium in Berlin an der Charité 1956 als Pflichtassistent am Kreiskrankenhaus Waren/Müritz. Ein Jahr später wechselte er als Assistenzarzt an die dortige Lungenklinik, die „Heilstätte Amsee“. Nach 2-jähriger Weiterbildung zum Lungenarzt zog es den ehrgeizigen jungen Mann 1960 an die führende pneumologische Institution der DDR, das „Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten und Tuberkulose“ (FLT) in Berlin-Buch, das zu dieser Zeit unter der Leitung von Paul Steinbrück stand. Zielstrebig setzte er hier seine Karriere fort, wurde 1963 Oberarzt und 1970 Chefarzt der Pneumologischen Klinik. 1978 habilitierte sich Bernhard Wiesner mit einem Thema aus der Bronchologie und erhielt 1979 die Venia legendi.

Anfang 1981 wurde Bernhard Wiesner als Direktor an die „Klinik für Lungenkrankheiten und Tuberkulose“ in Bad Berka berufen. Die Klinik hatte sich als zweite pneumologische Zentralklinik der DDR neben dem FLT nicht zuletzt durch die Kooperation von „Lunge und Herz unter einem Dach“ national wie international eine hohe Reputation erworben. Die Gewinnung von Bernhard Wiesner für diese Position als Nachfolger von Hans-Georg Ganguin war ein Glücksfall, nicht nur für Bad Berka, sondern auch für die Pneumologie in der DDR. In der Berkaer Lungenklinik führte er neue diagnostische und therapeutische Verfahren ein, insbesondere trieb er innovative bronchologische Techniken voran wie die BAL und interventionelle bronchoskopische Maßnahmen. Mit diesem fortschrittlichen Programm gelang es ihm nicht nur, die Klinik auf Augenhöhe mit den anderen mitteleuropäischen Zentren zu halten, sondern auch die Entwicklung der Pneumologie in der DDR maßgeblich zu prägen. Beispielgebend war auch der zu seiner Zeit abgeschlossene Kooperationsvertrag mit der Medizinischen Akademie in Erfurt, der nicht nur die Vertretung unseres Fachgebietes in der studentischen Ausbildung absicherte sondern auch den Mitarbeitern der Klinik eine Habilitation in Erfurt ermöglichte. Seinen Mitarbeitern war er ein motivierender Chef und förderte sie mit großem Wohlwollen. Als überzeugter Anhänger einer engen Verknüpfung von ambulanter und stationärer Medizin arbeitete er eng mit den Ärzten der PALT (Poliklinische Abteilung für Tuberkulose und Lungenkrankheiten) zusammen. Als Klinikdirektor konnte er in einem schwierigen politischen Umfeld, dank seiner allseits anerkannten Fachkompetenz und menschlichen Größe, manchen politischen Druck von seinen Mitarbeitern fernhalten.

Begleitend zu seinen klinischen Aufgaben befasste sich Bernhard Wiesner intensiv mit wissenschaftlichen Themen, zumeist klinischen Fragestellungen. Die Arbeiten fanden ihren Niederschlag in über 150 Publikationen und mehr als 200 Vorträgen auf Kongressen und Tagungen. Darüber hinaus engagierte er sich auch berufspolitisch, vorrangig in der „Gesellschaft für Pulmologie und Tuberkulose e. V.“. Er pflegte frühzeitig und weitsichtig internationale Verbindungen wie zu der neu gegründeten „Societas Europaea Pneumologica“ (SEP), die auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ präsent war. Von 1987–1989 fungierte er als nationaler Delegierter der DDR bei der SEP, die ja 1990 in der „European Respiratory Society“ (ERS) aufging.

Im Jahr 1988 wurde Bernhard Wiesner zum Präsidenten der „Gesellschaft für Pulmologie und Tuberkulose“ der DDR gewählt. Es war die Zeit des großen politischen Umbruchs, der schließlich zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten führte. In dieser Wendezeit galt es, die beiden wissenschaftlichen Gesellschaften in der Pneumologie, die „Gesellschaft für Pulmologie und Tuberkulose e. V.“ der DDR und die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“ der BRD, ohne große Verwerfungen zusammen zu führen. Dafür waren Persönlichkeiten mit Weitblick und Fingerspitzengefühl gefragt. Bernhard Wiesner als damaliger Präsident der DDR-Gesellschaft nahm die historische Herausforderung an. Auch dank seiner Umsicht gelang die Wiedervereinigung der beiden deutschen pneumologischen Gesellschaften, die ja de jure nie getrennt waren, erstaunlich reibungslos. Die deutsche Pneumologie schuldet ihm dafür Dank. Die DGP hat ihm – auch für diese seine Verdienste um die Zusammenführung der beiden deutschen Gesellschaften – die Ehrenmitgliedschaft verliehen.

In der Wendezeit geriet auch „seine Klinik“ in Turbulenzen. Die Landesregierung in Thüringen hatte beschlossen, die Zentralklinik auf die Liste der abzuwickelnden Einrichtungen zu setzen. In dieser kritischen Phase gelang es den vereinten Kräften seiner Mitarbeiter und der leitenden Ärzte, die Klinik in die private Trägerschaft der Rhön-Klinikum AG zu überführen. So zählt sie auch heute noch zu den führenden Lungenkliniken in Deutschland. Darüber hinaus kümmerte sich Bernhard Wiesner um die Neuordnung der pneumologischen Regionalgesellschaft in Thüringen. Ihm ist es mit zu verdanken, dass sich 1997 die „Mitteldeutsche Gesellschaft für Pneumologie“ (MDGP) gründete, und zwar mit einem speziellen Konstrukt: Als einzige der vier deutschen Regionalgesellschaften vertritt sie neben der Pneumologie symbiotisch auch die Thoraxchirurgie und die Belange der Berufspolitik, eine nachahmenswerte Idee.

Bernhard Wiesner hat die deutsche Pneumologie über viele Jahre geprägt. Er wird allen, die mit ihm beruflich zu tun hatten, als nobler Kollege in Erinnerung bleiben. Die ihn näher kannten, schätzten seine umfassende Bildung und sein Interesse an Literatur und Musik, Kunst und Geschichte, aber auch seine Herzlichkeit und seinen Humor im Umgang mit Freunden – und seinen Familiensinn. Bernhard Wiesner hinterlässt seine Ehefrau Christa, die er als junge Kollegin 1967 kennen lernte und die ihm bis zum Ende liebevoll beistand. Wir trauern mit der Familie um einen verdienstvollen Kollegen und einen guten Freund.

Nikolaus Konietzko, Essen
Detlef Kirsten, Großhansdorf
Robert Loddenkemper, Berlin

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Prof. Dr. Nikolaus Konietzko
Spillheide 78
45239 Essen
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Article published online:
18 January 2021

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