Liebe Leserinnen und Leser,
das vorliegende „Jahresabschlussheft“ der Zeitschrift für
Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN) enthält in der Rubrik
„Geschichte der Perinatalmedizin“ einen Beitrag, der einmal mehr die
Einflüsse des Zeitgeistes auf die Versorgung des Säuglings erkennen
lässt. Die Autoren M. David und A. D. Ebert, die die Zeitschrift
dankenswerterweise mit medizingeschichtlichen Schlaglichtern bereichern, vermitteln
hier einen Einblick in Wiegekarten, wie sie Mitte der 1950er Jahre in der ehemaligen
DDR und der BRD verteilt wurden, um nicht nur die Gewichtsentwicklung des
Säuglings zu dokumentieren, sondern auch Ratschläge zur
Gesundheitsvorsorge zu propagieren. Während auf dem Einband der Version West
unter der Schlagzeile „Gut vorwärts hilft …“
Werbung für eine Vollkornnahrung platziert war, die „ohne
Überfütterung des Säuglings in zahlreichen Kliniken im
Gebrauch“ sei, fanden sich in der Version Ost unter dem Appell
„Mutter, wenn Du Dein Kind lieb hast und es behalten willst, dann
stille es selbst!“ umfängliche Belehrungen über die
Vorzüge der Muttermilch. Ein originelles Zeugnis der jeweiligen
gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen (und differenten Einstellungen zur
Säuglingsernährung) also, welches uns hier unter dem Mantel der
Elternaufklärung begegnet.